Serienkritik: „UnREAL“

Wir alle kennen diese Shows zumindest vom Namen her oder haben sie gar selbst schon mal gesehen: Date-Formate wie “Der Bachelor” oder “Die Bachelorette” erfreuen sich dank ihres Lästerpotenzials in den sozialen Medien größter Beliebtheit. Allen ist ein Prinzip gemein: mehrere Kandidatinnen oder Kandidaten buhlen möglichst konfliktreich um die Gunst des vermeintlich begehrenswerten Singles. Heiße Küsse, Eifersüchteleien und Zickenkrieg inklusive.

Let the Show begin!

Die Serie “UnREAL” gewährt uns einen schonungslosen Blick hinter diese Kulissen. Im Mittelpunkt stehen die beiden Show-Produzentinnen Quinn (Constance Zimmer) und Rachel (Shiri Appleby). Ihr Job ist es, die Show am laufen zu halten und immer wieder “Stimmung in die Bude” zu bringen. Dafür werden Gerüchte gestreut, Hoffnungen geweckt und Konflikte geschürt. Für eine gute Einschaltquote wird auch gerne mal in Kauf genommen, dass Kandidaten sich um Kopf und Kragen reden – oder schlimmeres.

Während Rachel oftmals Gewissensbisse verspürt, ist Quinn der harte Hund. Sie hat schon mehr als zehn Staffeln der Show produziert und arbeitet mit allen Tricks, weiß genau welche Triggerpunkte man für emotionale Ausbrüche anfassen muss. Ergänzt wird das Ensemble durch den leicht trotteligen Produzenten Chet sowie diverse Praktikantinnen und Praktikanten, die durch Einsatz aller legalen und illegalen Mittel versuchen, bei ihren Chefinnen Eindruck zu schinden. Vielleicht springt ja eine eigene Show raus? Schließlich hat jeder in seiner eigenen Schublade das Konzept für den nächsten Quoten-Knaller.

Im letzten Jahr haben wir die beiden ersten Staffeln gesehen, in den letzten Wochen nun die Staffeln 3 und 4. Bei dieser Serie bietet es sich an, eine Gesamtkritik über alle Staffeln zu machen, da jede Staffel sehenswert ist und keine aus der Reihe fällt. Und das ist auch schon das überraschendste an der Serie: sie schafft es, dieses ja eigentlich ziemlich ausgewalzte Format “Bachelor” in insgesamt 38 Episoden der 4 Staffeln mit ordentlich Leben zu füllen. Dass im Lauf der Staffeln die Herausforderungen und Skandale immer heftiger werden, liegt in der Natur des Formats.

Immer neue Kandidaten und Kandidatinnen, die ebenso wie im realen Vorbild alles abdecken sorgen immer wieder für reichlich Abwechslung. Das geht vom kleinen Mauerblümchen bis zum männermordenden Vamp bzw. vom treusorgenden Familienvater bis zum fleischgewordenen Six-Pack.  Die entstehende Gruppendynamik, die Grüppchenbildung, die kleinen und großen Zickenkriege sind ebenso vielfältig wie unterhaltsam wie im echten Vorbild. Hier sieht man eben nicht nur den Kampf vor der Kamera, sondern bekommt auch zu sehen, wie perfide die Eigenwahrnehmung der Kandidaten in die gewünschte Richtung gelenkt wird. In den verschiedenen Staffeln kämpfen mal Männer, mal Frauen um das Herz eines Junggesellen/Junggesellin. Das sorgt dafür, dass die Grundidee genug Abwechslung erfährt.

Quinn und Rachel bei der Arbeit

Natürlich ist “UnREAL” in erster Linie gute Unterhaltung, aber eben auch knallharte Medienkritik. Der Zynismus, mit dem Quinn jede Zickerei mit Blick auf die Quote abfeiert, wirkt menschenverachtend; gleichwohl weiß man, dass auch bei RTL & Co. die Shows mit dem gleichen Augenmaß produziert werden. Ereignisse werden so geschnitten, dass sie eine möglichst explosive Dramaturgie erhalten, die Kandidaten im gewünschten Licht erscheinen.

Rachel hingegen sorgt für die nachdenklichen Momente. Sie merkt, dass ihr diese Arbeit nicht gut tut, andererseits ist sie durch eben diese Arbeit aufgeputscht und braucht den Kick. Ihr gelingt es nicht, den Absprung zu finden, obgleich sie weiß, dass es für sie besser wäre. Beide Darstellerinnen können in ihren Rollen voll überzeugen und wirken glaubhaft.

Zugegeben: nach zwei Staffeln ist es dann auch mal wieder gut. Noch mehr Zickenkrieg wäre auch meine Kuhhaut nicht gegangen. Ich könnte mir also nicht vorstellen, alle vier Staffeln hintereinander weg zu schauen. Aber wohldosiert sorgt die Serie für eine Menge Spaß und verdeutlicht einem auch sehr schön die Dynamik, mit der Showrunner beim Publikum Emotionen erzeugen können. Ich zumindest sehe den “Bachelor” nun mit etwas anderen Augen (wenn ich ihn denn sehe…).

Anbieter: Amazon Prime

Wertung: 4/5

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