Drehbuch: Ronald Bronstein, Josh Safdie
Schauspieler*innen: Robert Pattinson, Benny Safdie, Buddy Duress, Taliah Webster
Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US: (FSK R)
Originaltitel: Good Time
Laufzeit: 1:40 Stunden
Filmkritik zu Good Time
Von Anfang an ist die Kamera ganz nah dran, selten ist mehr als ein Gesicht zu sehen. Sie arbeitet mit einer intensiven Tiefenschärfe – nur wenige Zentimeter entscheiden zwischen scharf und unscharf. Nur selten geht die Kamera in eine ungewohnt weite Totale oder Vogelperspektive.
Es ist sinnbildlich für diesen Film. Connie will nur das beste für seinen geistig behinderten Bruder Nick. Doch so, wie auch die Kamera immer wieder den Fokus verliert, verliert auch Connie immer wieder die Kontrolle. So liebevoll er für seinen Bruder da ist, so manipulativ und kriminell ist er auf der anderen Seite.
Der Wahn, dass alle etwas gegen sie hätten, treibt ihn. Ganz von der Hand zu weisen ist es nicht: Nachdem die beiden eine Bank überfallen haben, sind sie gesuchte Täter.
So ruhig der Film mit einer minutenlangen Aufnahme von Nick startet, so intensiv, so laut und so voller Wendungen ist der weitere Verlauf des Films. Kaum gibt es einen Moment zum Durchatmen, immer wieder muss Connie flüchten, kommt mit zwielichtigen Personen in Kontakt, verbündet sich mit ihnen, um sie später kalt abblitzen zu lassen – er und sein Bruder stehen über allem, der Zweck heiligt die Mittel.
Es sind die vielen Unwägbarkeiten des Lebens, die den Film so packend machen. Connie ist der Getriebene, der Verfolgte, ständig unter Adrenalin. Um seinen Willen zu bekommen, erfindet er immer wieder neue Idee, neue Stories, um sein Umfeld für ihn zu manipulieren. Dieser Einfallsreichtum trägt viel Spannungspotential in sich, denn an unvorhergesehenen Situationen scheitert es nicht. Zugleich gibt es einen Einblick in die Welt der Armen und Vergessenen von New York, abseits von den bekannten Touristenzielen. Dies ist der Authentizität des Films nur zuträglich und gibt ihm eine zusätzliche Tiefe.
Robert Pattinson spielt den egoistischen Connie überragend und wird auch die letzten Zweifler zum Schweigen bringen. Wurde er womöglich immer noch belächelt, scheint es nun so als hätte die Rolle nicht besser besetzt werden können. Pattinson spielt den Zwielichtigen absolut authentisch und radikal. Dass man dennoch mit der Rolle Connie sympathisiert, liegt daran, dass er nicht als Held des Films inszeniert wird, sondern jede Entscheidung von ihm ein Wagnis darstellt, das häufig scheitert – und neue Wagnisse erfordert.
Gestützt wird der gesamte Film durch einen mindestens ebenso radikalen Synthie-Soundtrack im Stil der 80er-Jahre. War der Soundtrack zu The Guest mit seinen meist sphärischem Klang noch ein Must-Have für das CD-Regal, so ist dieser Soundtrack nicht derart durchgestylt. Viel mehr treibt der Soundtrack und unterstreicht mit manch gut gesetzter Dissonanz die Verrücktheit der lang anhaltenden Flucht.
Der Film ist ein Highlight des aktuellen Filmjahres. Der Plot ist mitreissend und vielschichtig, die einzelnen Episoden in sich schlüssig und allein einzeln spannend. Ihre Erzählungen erscheinen realistisch und zeitweise erschreckend ehrlich. Kameraarbeit und Soundtrack unterstützen das Gefühl, sich immer auf einem schmalen Grat zu befinden.
Auch, wenn der Film keine großen Spezialeffekte enthält, sollte er auf großer Leinwand mit entsprechendem Soundsystem gesehen werden, um vollständig in das Geschehen einsteigen zu können – ohne Möglichkeit zur Pause oder Durchatmen. Wie im Film.