Drehbuch: Angela Schanelec
Schauspieler*innen: Miriam Jakob, Thorbjörn Björnsson, Maren Eggert, Phil Hayes
Kinostart D: (FSK 12)
Originaltitel: Der traumhafte Weg
Laufzeit: 1:26 Stunden
Filmkritik zu Der traumhafte Weg
Zwei Zeitebenen und zwei Geschichten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben und doch viel übereinander erzählen: In den 1980ern sitzen Kenneth (Thorbjörn Björnsson) und Theres (Miriam Jakob) in Griechenland, finanzieren sich ihr Reiseleben mit Straßenmusik, genießen den Tag und ihre Liebe. Als Kenneth erfährt, dass seine Mutter schwer verunglückt ist, brechen beide in ihre Heimat auf. Kenneth zurück nach England, um seine Mutter zu pflegen, Theres zurück nach Deutschland, um Lehrerin zu werden. Dreißig Jahre später: In Berlin zerbricht die Ehe von Schauspielerin Ariane (Maren Eggert), ohne dass sie weiß, warum sie ihren Mann (Phil Hayes) nicht mehr liebt. Dieser zieht in eine eigene Wohnung, von der aus ein Obdachloser vor dem Bahnhof zu sehen ist: Kenneth, der mittlerweile auch in Berlin ist – ebenso wie Theres.
In den 1990ern entstand die Berliner Schule als Begriff für eine Gruppe junger Filmschaffender, die sich ein ästhetisches Programm auf die Fahnen schrieben, das noch heute in Angela Schanelecs Filmen spürbar ist: distanzierte Beobachtung, stilisierte Kameraarbeit, das Leben junger Menschen in der Großstadt unmittelbar im Zentrum der Filme. Neben Mitstreitern wie Thomas Arslan oder Christian Petzold ist Angela Schanelec dabei aber weniger bekannt – obwohl sie die interessanteren Filme dreht.
Der traumhafte Weg wirkt zunächst seltsam aus der Zeit gefallen: Das bedächtige, zurückhaltende, mitunter kaum wahrnehmbare Spiel der Darsteller und die beinahe zum Stillstand kommende Verlangsamung der Sequenzen überzieht den Film mit der klebrigen Schicht einer immer bereits vergangenen Zeit, eines Gestern, das nicht mehr einzuholen ist, wie sehr man auch den Lauf der Gegenwart aufzuhalten versucht. Die Zeitebenen verschränken sich dabei auf ganz eigene Art miteinander – nicht nur durch die Anwesenheit aller Figuren am gleichen Ort, vor allem durch die eigentümliche Ästhetik, die von einer immer schon vergangenen Zeit durchzogen scheint. Allenfalls eine Nachrichten-Sendung über die DDR oder die moderne Berliner Straßenbahn geben Aufschluss darüber, wo sich die Erzählung zeitlich verortet. Und dennoch ist es nie so leicht, ist das Heute immer überlagert von der nie ganz fassbaren Erinnerung an das Gestern, von einer Nostalgie an eine Zeit, die nie existierte.
Damit entfaltet der unverkennbare Stil der Berliner Schule, zwanzig Jahre nach seinem Aufkommen, eine treffende Gegenwärtigkeit. Im ersten Moment sieht es aus, als würde der Film mit seinen beiden The Lion Sleeps Tonight-musizierenden Mittzwanzigern in Strickpullovern eine zynische Beobachtung zu Großstadt-Hipstern anstellen. Erst langsam aber wird deutlich, dass er nicht bloß bissig die 80er-Retro-Ästhetik kommentiert, sondern ganz unmittelbar Berliner Gegenwart und Jugendkultur eben jener Generation aufeinander bezieht und sie in der Verdichtung beider Zeiten übereinanderlegt. Retro-Stil wird mit seinen Vorbildern konfrontiert und muss sich seiner eigenen Ziellosigkeit stellen.
Vielleicht ist es gerade kein Zufall, dass es genau die Berliner Schule ist, die einen entlarvenden Blick auf die rückwärtsgerichtete Popkultur der Gegenwart werfen kann. Das Klammern an den Lebensstil unserer Eltern, das Hoffen auf eine Zukunft, die wieder so wird wie das Damals, ohne zu wissen, was dieses Damals eigentlich ist, und ohne wirklich glauben zu können, dass dieses Damals besser war – all das wird in Der traumhafte Weg seiner angestrengten Künstlichkeit überführt. Der Film zeigt mit seinen hilflosen Figuren, die durch einen Raum ohne eigene Zeit irren, wie hoffnungslos es ist, sich in ein Bild der Vergangenheit zu träumen und wie dringend nötig der Traum einer echten Zukunft dadurch wird.