Zum Thema Kulturflatrate
In meiner Kolumne vom vergangenen Sonntag ging es um TV-Filme der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und im weiteren Sinne auch um Pro und Kontra zur Rundfunkgebühr. Eric hat in den Kommentaren ein weiteres Thema aufgebracht, über das ich mir heute mal Gedanken mache: die Kulturflatrate.
Ich bin *gegen* die GEZ als solches, aber *für* eine allgemeine Kulturabgabe. Soll heißen: für einen gleichen oder geringfügig höheren Betrag bekommt man einen Ausweis, der einen berechtigt, kulturelle Dinge zu nutzen. Das können die öffentlich rechtlichen Programme sein, das kann Theater, Konzerte, Museen oder sonstwas förderwürdiges sein. Ja vielleicht auch bestimmte Internetseiten, Blogs, Hörspiele usw. Die Gebühren sollten dann je nach Nutzung der Inhalte verteilt werden. Denn ich persönlich kann mit den meisten öffentlich rechtlichen FErnsehproduktionen nichts anfangen, zahle aber unverhältnismäßig viel dafür über eine Zwangsabgabe. (Zitat Eric aus “Ich glotz TV!”)
Das grundsätzliche Prinzip kennt man im kleineren Rahmen schon von Streaming-Diensten für Musik wie etwa „Simfy“ oder „Napster“: für eine monatliche Gebühr bekommt der Nutzer die Möglichkeit sämtliche Inhalte zu nutzen. Die Anbieter haben ihrerseits Verträge mit den Musik-Labels, die entsprechend der Nutzung eine Vergütung erhalten.Das Prinzip finde ich klasse: einmal zahlen und soviel konsumieren wie ich will. Wenn ich einen Monat lang keine Musik höre – mein Pech. Vorteil für mich: ich kann restlos alles hören, ohne mir von einem Künstler das ganze Album zu kaufen. So hört man mal hier, mal da rein und genießt die Vielfalt des Angebotes. Für die Musikverleger ist das eher ein Kompromiss mit Zähneknirschen: natürlich würden die lieber Geld mit dem Verkauf von CDs oder MP3-Dateien machen, anstatt diese per Streaming angeboten zu wissen. Hier gewinnt wohl die Denkweise „Lieber ein klein wenig vom Kuchen abbekommen, anstatt den illegalen Downloads komplett das Feld zu überlassen, weil immer weniger die gewünschten Preise für die Musik zahlen.“
Was bei MP3s funktioniert – die Dienste erfreuen sich einer hohen Popularität und steigenden Nutzerzahlen – sehe ich leider nicht, wenn es um Kulturgüter im Allgemeinen geht. Dafür scheint mir der Markt einfach zu heterogen. Wenn ich mit meiner „KulturFlat-Card“ ins Theater gehen will, dann möchte ich damit auch in JEDES Theater reinkommen. Ergo: jedes Theater muss sich dem Prinzip der KulturFlat unterwerfen.
Was Bücher angeht, so scheidet eine „Offline“-Variante aus. In Büchereien bekomme ich zwar schon jetzt kostenlos Bücher, jedoch meist nicht die aktuellen Bestseller, die mich wirklich interessieren. Die sind immer vergriffen. Warte ich dann tatsächlich ein halbes Jahr, bis ich mein gewünschtes Buch endlich kostenlos in den Händen halten kann? Ob sich all die Buchverlage auf eine KulturFlatrate mit Ebooks einlassen würden, ist auch mehr als fraglich. Dafür stehen die Herrschaften des gedruckten Wortes – seien es Bücher- oder Zeitungsverleger – dem Medium noch viel zu skeptisch gegenüber. Mit einer solchen Flatrate wäre zugleich der Heilige Gral der Buchpreisbindung zunichte gemacht – jener gesetzlich verankerte Festpreis für Bücher, der Sonderangebote wie man sie von CDs oder DVDs her kennt, bisher verbietet. Darüber wäre wohl kaum ein Verleger froh.
Thema Film: die Cinemaxx-Goldcard, die nur für das Segment Kino eine Jahres-Flatrate bietet, kostet derzeit 399,- €. Auch hier wären natürlich im Rahmen einer KulturFlat nicht nur die großen Multiplexe gefragt, sondern auch die ganzen kleinen Programmkinos, die so schon jetzt um ihr Überleben kämpfen müssen.
Auch Online-Filmdienste wie Videoload oder iTunes wären sicherlich nicht begeistert, wenn sie statt 3,99 € für einen ausgeliehenen Film nur noch einen Bruchteil dessen als anteilsmäßigen Erlös aus der KulturFlat bekommen würden.
Dabei wäre die Filmbranche doch diejenige, die dem (scheinbar) funktionierenden Modell der Musikstreaming-Dienste noch am ähnlichsten ist: auch hier gibt es viele – zum Teil die gleichen – Anbieter/Verleiher wie bei Online-Musik. Wenn man die größten 20 Verleiher ins Boot bekommen würde, hätte man schon einen Großteil des Marktes abgedeckt. Bei Theatern und Bücherläden, die nur vereinzelt in Verbänden organisiert sind, wäre eine einheitliche Regelung nur schwer möglich.
Fazit: auch ich würde mir eine solche Flatrate wünschen. Aber rund 20,- € Rundfunkgebühren + 33,- € Kino (Beispiel GoldCard) + X € für Bücher + X € für Magazine/Zeitungen + X € für Theater + X € für Museen – die muss man auch erst mal wieder raus haben. Wer regelmäßig ins Kino/Theater geht oder Bücher für den kann sich so eine FlatRate vielleicht rechnen. Aber was ist mit jenen Menschen, denen vielleicht einfach nur das Geld oder die Zeit fehlt, viele kulturelle Möglichkeiten zu nutzen? Wäre das dann nicht der Weg in eine kulturelle Zweiklassengesellschaft?
Wie seht Ihr das? Wäre eine KulturFlatrate wünschenswert? Wie viel würdet Ihr im Monat dafür ausgeben wollen?
Es geht nicht darum, daß sich “jedes Theater dem Prinzip der KulturFlat unterwerfen.” muss. Das sehe ich als selbstverständlich, denn Theather leben nur noch von der staatlichen Förderung und Stütze. Und wo kommt die her? Von den Steuerzahlern – also von uns. Anstatt also nur Zugang für eine gut betuchte Kundschaft und vor halb leerem Haus zu spielen, sollte diese kulturelle Möglichkeit weiter geöffnet werden, damit auch andere in den Genuss kommen können.
Hmmm. Also wenn ich mir mal ein Theaterticket kaufe (was zugegebenermaßen eher selten vorkommt) und ich dafür >andreasbdrücken darf, habe ich nicht wirklich das Gefühl, dass Theater “nur noch von der staatlichen Förderung und Stütze” leben. Natürlich wird vom Staat her ordentlich subventioniert, aber ohne die Eintrittsgelder würden noch viel mehr Theater zugrunde gehen. Mal konkret die Frage: wie sieht denn Deine Rechnung aus, Eric? Wie viel soll die Kulturflatrate kosten? Wie sollen die Einnahmen daraus auf die einzelnen Kultur-Institutionen verteilt werden? Bleiben einem Theater dann noch mehr als zwei, drei Euro pro Besucher? Würde mich echt interessieren, wie so ein Konzept konkret laufen kann. “Freie Kultur für alle” ist schnell proklamiert, aber wie soll das in der Praxis aussehen?
Es ist doch geplant, daß pauschal jeder Haushalt GEZ zahlen soll. Das wird zu erheblichen Mehreinnahmen führen, die meiner Ansicht nach, nicht zu einem besseren Programm der öffentlich rechtlichen führen werden. Denn mit den knapp 8 Milliarden EUR, die sie jetzt schon einnehmen, haben sie so viele Mittel, wie alle privaten zusammen. Ein Großteil davon versickert in der starren Beamtenstruktur und in der Vielzahl der teilweise unnützen TV und Hörfunkkanäle. Es gab ZEiten, in denen Vollprogramme das gesamte Spektrum abgedeckt haben. Jetzt machen sie für jedes Interesse einen eigenen Spartenkanal auf und behalten ihn bei, egal ob es jemand schaut /hört oder nicht. Das GEld ist ja da, warum nicht verprassen. Ich bin für eine Verschlankung des öffentlich rechtlichen Systems und die freiwerdenen finanziellen Mittel, sollen anderen Kulturbereichen zur Verfügung gestellt werden (z.B. Theater, Museen usw.) Diese wiederum könnten dann durch die Förderung ihre Eintrittspreise senken und da demnächst sowieso bald jeder Haushalt die GEZ zahlt, braucht es auch keine spezielle Berechtigung um diese Vergünstigung nutzen zu können. Ich bin kein Politiker und muss auch nicht meine Ideen bis ins kleinste durchdacht haben, um sie zu äußern. Ich halte das einfach für eine gute Idee, die allen etwas bringt.
Ich sehe das Problem vor allem von Seiten der Künstler und Firmen.
Wie soll Abrechnung funktionieren? Entscheidet der Staat, welcher Künstler wie viel verdient? Amazon.com testet ja gerade eine Flatrate bei der man für eine Pauschale beliebig viele Ebooks runterladen kann. Aktuell wirbt Amazon verstärkt um Autoren, die an dem Programm teilnehmen. Die Einnahmen werden dann unter allen geteilt. Das ist für Autoren aber eine eher unsichere Sache, da der Verdienst nicht mehr wirklich kalkulierbar ist.
@Eric:
Eine Verschlankung zu fordern ist immer relativ einfach. Klar will auch nicht, dass nicht unnötig Gebührengelder für einen aufgeblasenen Wasserkopf verschwendet werden. Was die Spartenkanäle angeht, muss ich aber ein wenig widersprechen. Wenn es diese Spartenkanäle nicht gäbe, würde zum Teil auch einiges an Innovation verlorengehen. Als Beispiel ziehe ich gern noch mal das TV-Lab von zdfneo aus der Wundertüte. Ohne diesen Sender gäbe es ja auch solche Sachen wie “30 Rock” oder “Mad Men” nicht im deutschen Fernsehen. Klar, darauf kann man verzichten wenn man die Serien “irgendwoher” auf Englisch bekommt bzw. diese auf DVD guckt. Nur: wie viele Hartz-IV-Empfänger haben das Geld, um sich DVD-Boxen zu kaufen oder sprechen fließend Englisch, um auf eine synchronisierte Fassung verzichten zu können?
Was das Theater angeht. In Deutschland wird jede Theaterkarte eines staatlich geförderten Theaters derzeit mit rund 95,- € subventioniert. Finde ich persönlich auch gar nicht mal so wenig. Dabei sind Theaterkarten meist immer noch relativ teuer. Im Vergleich mit der Filmwirtschaft, die sich (zumindest auf Seite der Anbieter für den Endverbrauchter – die Kinos) ohne staatliche Förderungen halten muss ist diese Praxis zumindest fragwürdig. Ich gehe selten ins Theater: warum wird also mit meinem Steuergeld diese Kunstform unterstützt? Wir können die staatlich geförderten Theater natürlich auch komplett abschaffen und versuchen ob wir die ganzen unabhängigen privaten Theater für eine Kulturflatrate begeistern können (aber: wenn, dann alle, sonst geht das Konzept der Kulturflatrate nicht auf).
Das von Dir nun dargestellte Konzept ist ja nur eine Umverteilung der bisher zur Verfügung stehenden Mittel. Wie Du mit dem Geld, das die öffentlich-rechtlichen Sender freisetzen könnten aber noch stärker Theater (reichen 95,- € pro Karte noch nicht?), Museen, Konzerte und sogar Blogs und Hörspiele fördern willst, so dass wirklich alle etwas davon haben bzw. wie diese Dinge mit dem von Dir genannten Ausweis in Anspruch genommen werden können, ist mir aber weiterhin unklar. Das Argument “Ich bin kein Politiker und muss mich damit nicht auskennen” reicht mir als Argumentation für eine Neuorganisation des Gebührenwesens wenig aus. 😉