Die Älteren unter Euch werden sich vielleicht noch an den ZDF-Wunschfilm erinnern, der uns seinerzeit (die guten alten 80er…) das Sommerloch verschönern sollte. Drei Filme standen zur Auswahl, die Zuschauer konnten eine Woche lang für ihren Film voten (nein, damals hieß das noch „abstimmen“) und der beliebteste wurde dann ausgestrahlt. Der junge Sender zdf_neo erinnert sich nun dieser besonderen Form der „Bürgerbeteiligung“, allerdings natürlich zeitgemäß im schönen Web-2.0-Gewand: das zdf_neo TV-Lab. Statt drei Filmen gibt es nun die Wahl zwischen zehn grundverschiedenen halbstündigen Formaten. Diese werben für sich mit einer Art Pilotfolge, die dann vom Publikum in drei Kategorien bewertet werden können.
1. Will ich davon mehr sehen?
2. Ist das Format innovativ?
3. Wie gelungen ist die Umsetzung?
Das Format, das am Ende die Nase vorn hat, wird dann in Serie produziert.
Ich habe mir heute in einem wahren TV-Lab-Marathon alle Bewerber am Stück angesehen und gebe hier mal eine Kurzbewertung ab.
Ausgekuschelt
Was machen vier muppetmäßige Handpuppen, die früher mal jeder für sich ein großer Star waren, deren Ruhm inzwischen aber verblasst ist? Ganz einfach, sie wohnen gemeinsam in einer WG und klauen ihren stinkreichen Nachbarn, den Mainzelmännchen, die Post. Erdacht wurde diese abstruse Idee von Martin Reinl, vielen vielleicht bekannt als der Puppenspieler der WDR-Kultsendung „Zimmer frei“ (und von mir vor allem heiß geliebt wegen des „Alten Zirkuspferdes„). Seine Puppen sind frech, teils ordinär – und sorgen somit für mächtig viel Spaß. Ich fühlte mich von den vier Kumpels (und vor allem von den Nutten bestellenden Mainzelmännchen!) ganz gut unterhalten und drücke einfach mal das Pilotfolgen-Auge zu und sehe somit über kleine Schwächen hinweg. Davon würde ich gerne mehr sehen.
Bewertung: 8/10
Moviacs
Im Lauf der Jahre ist bei mir Nils Bokelberg mehr und mehr vom „Ex-VIVA-Moderator“ zu „einem von dem fünf Filmfreunden“ geworden – und somit Teil des erfolgreichsten deutschen Filmblogs. Nun macht er gemeinsam mit seinem Kumpel Donnie O’Sullivan mal so eben aus dem Handgelenk heraus das beste Filmmagazin, das ich bisher gesehen habe. Seien wir mal ehrlich: Kinomagazine sind in Deutschland eh schon Mangelware. Die Damenriege der letzten zwanzig Jahre, angeführt von Sabine Sauer über Isolde Tarrach bis hin zu Sabrina Staubitz standen alle eher nicht so für Fachkompetenz. Und bei den Herren hätten wir da den Herrn Gottschalk (…). Da ist es sehr erfrischend ein Filmmagazin von Menschen zu sehen, deren Herzblut am Kino hängt. Und die Mischung stimmt: kurze, dynamische Beiträge, die gern auch mal viel Meinung der beiden Moderatoren beinhalten, wechseln sich ab mit schnellen Fakten und Hintergrundwissen, das für Gelegenheitsgucker ebenso fruchtbar sein kann wie für echte Kino-Nerds. Die erste Folge hat mich wirklich maßlos begeistert und ist absolut empfehlenswert! Neben einem schönsn Streitgespräch zu „Cowboys & Aliens“ gibt es gleich noch den Studiobesuch von Matthias Schweighöfer und sogar ein Interview mit „Super 8“- und „Lost“-Macher J.J. Abrams. So ein tolles Format *muss* einfach fortgeführt werden!
Bewertung: 10/10
Bambule
Sarah Kuttner kann ich ja eigentlich immer gut leiden. Hübsch, klug, keck und frech. Aber dieses Format ist mir ein wenig unausgegoren und wenig innovativ. Zu Beginn gibt es eine lange Reportage zum Thema „Lebensunlust und Entscheidungsschwäche der Mittdreißziger“ mit Betroffenen- und Expertenmeinungen. Manchmal ein wenig sehr holterdipolter zusammengschnitten, dadurch nicht dynamisch, sondern eher unruhig. Im späteren Verlauf wird eine per Zufall ausgewählte Allerweltsperson portraitiert und ein Kuriosum des Alltags vorgestellt (Kartoffeln im Glas). Hmmm. Der Vergleich mit „Polylux“ drängt sich zwar auf, aber dagegen kann „Bambule“ dann bei aller Liebe zu Kuttner nicht anstinken.
Bewertung: 5/10
Bullshit
Hier ist der Name wohl echt Programm. Drei Halbtags-Komiker machen das, was Stefan Raab schon vor zehn Jahren gemacht hat und womit Simon Gosejohann in „Comedy Street“ seine Brötchen verdient: in bester Guerilla-Manier mehr oder minder ausgewählte Passanten provozieren. Doch im Gegensatz zum Pro-7-Format soll hier auch immer ein wenig Gesellschaftskritik mitschwingen. Aber tut sie das? Mal ja: wenn sie als Araber verkleidet einen Hobbyflieger bitten, mit ihm über das Areal eines Atomkraftwerkes zu fliegen. Mal nein: wenn sie am Bonner Rathaus ein Helmut-Kohl-Denkmal aufstellen. Kann man zwar machen – innovaiv ist das aber beileibe nicht. Weder ist es provokant genug, um im heutigen Fernsehbetrieb wirklich aufzufallen, noch bietet es Tiefgang oder Hintersinn, um wirklich gesellschaftskritisch zu sein und zum Nachdenken anzuregen.
Bewertung: 2/10
Wie geil ist das denn?
Kennt noch jemand „Das Beste kommt zum Schluss“? Ein Film mit Jack Nicholson und Morgan Freeman als dem Tod geweihte Senioren, die noch schnell alles erleben wollen, was sie im Leben mal gemacht haben wollen – Fallschirmspringen inklusive. Ähnliches macht hier die sympathische Caro Korneli. Sie macht all die Dinge, die sie schon immer mal machen wollte und lässt uns daran teilhaben. So schreibt sie einen Song, gibt in der legendären Hamburger Haifisch-Bar eine Lokalrunde aus oder berührt zum erste Mal eine Leiche. Dieses Format lebt eigentlich ausschließlich vom Charme der Moderatorin. Und so ist auch die unterhaltsamste Stelle ihr Thekengespräch mit einem anderen Besucher der Haifisch-Bar. Wortgewand und mit einer sympathischen Schnoddrigkeit kann sie überzeugen und beweist zugleich, dass sie in diesem Format nicht wirklich gut aufgehoben ist. Die Aktionen haben teilweise was von „Galileo“ (Panzerfahren) oder „Mythbusters“ (im Farradayschen Käfig einen Blitz überleben), ich würde Frau Korneli lieber in einer jungen Talkshow sehen. Sie hätte das Potenzial zu einer neuen Charlotte Roche.
Bewertung: 4/10
neoXplorer
Eigentlich bin ich kein großer Freund von Reisemagazinen. Meist zeigen sie doch immer nur die bekannten Touristen-Hotspots oder die eh unerschwinglichen Ecken/Hotels/Bars/Shopping-Malls dieser Welt. Ganz anders der Ansatz dieser Sendung. Ein sympathisches Moderations-Duo erkundet eine Stadt mit Hilfe von Zuschauer-Tipps. Diese Tipps werden als Video-Einspieler gezeigt, um dann zu sehen wie die beiden vor Ort die Empfehlungen umsetzen. Und so werden durch die Zuschauer nicht nur Übernachtungsmöglichkeiten vermittelt, sondern auch Kontakte zu Einheimischen, die unser neoExplorer-Duo dann ein wenig durch die Stadt führen. Die lockere Art hat mir sehr gut gefallen. Vor allem die zwei, drei inhaltslosen Videoschnipsel, die einfach nur lustig sind. Schade, dass dieses sehenswerte Format momentan nur auf Platz 9 steht und somit wohl nicht fortgeführt wird.
Bewertung: 7/10
Liebe auf Speed
Ganz simpel: beste Freundin will das „Opfer“ verkuppeln, darf dafür vier Männer aus einem Männer-Fundus von acht Exemplaren auswählen und diese dann für je fünf Minuten auf ihre ahnungslose Freundin loslassen. Eine Art „Herzblatt goes 2011“. Leider sowas von uncharmant und seelenlos. Während die erste Präsentation der acht Bewerber nach halbwegs die Hand von der Fernbedienung entfernt hält, ist das tatsächliche Dating eher ein unerschöpflicher Quell des Fremdschämens. Zuzugucken wie die vier Herren mit ihren zurechtgelegten Bagger-Strategien auf Erfolg hoffen, ist langweilig bis peinlich. Funken tut da schon mal gar nichts. Wenn dann auch noch das „Opfer“ mit dem Mann ihrer Wahl ihre gemeinsamen Interessen checken muss (in dem beliebten Hochzeitsspiel, in dem beide eine Entweder-Oder-Auswahl unabhängig voneinander abgeben müssen *gähn*), schaltet man lieber zum Testbild vom kasachischen Kulturkanal.
Bewertung: 4/10
Scharfe Hunde
Thomas Heinze gibt einen geschassten Ex-Fernsehkomissar, der nach seinem Rauswurf gemeinsam mit dem ebenfalls gefeuerten Drehbuch-Autor Kriminalfälle löst. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber irgendwie riecht das förmlich nach einer Comedy-Serie für SAT.1. Vielleicht liegt es an Drehbuchautor-Darsteller Matthias Matschke, der in der SAT.1-Serie „Pastewka“ mitspielt. Oder vielleicht an dem harmlosen Humor, der kaum über das Kalauer-Niveau kommt. Hin und wieder muss man lächeln – mehr aber auch nicht. Einzig Melika Foroutan („KDD – Kriminaldauerdienst“) als knüppelharte Polizistin ist für mich persönlich ein Highlight. Ansonsten ist „Scharfe Hunde“ zwar sauber produziert und bietet Charaktere mit Potenzial und eine gute Ausgangsidee; alles in allem ist der Pilot aber viel zu harmlos. Da müsste weit mehr kommen.
Bewertung: 6/10
Teddy’s Show
Tedros „Teddy“ Teclebrhan ist einer jener „Stars“, deren Karriere bei YouTube begonnen hat – mit einem tatsächlich recht lustigen Video. Nun hat er also seine eigene Show und kann nicht nur sein humoristisches Talent, sondern auch seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Joah, sympathisch ist er durchaus. Die unterschiedlichen Rollen mit diversen Dialekten zeigen auch sein Talent zum Schauspiel. Aber noch wirkt das alles nicht so ganz ausgereift. Auch hier gibt es einige dieser guerilla-comedymäßigen Aktionen, bei denen Passanten in Fußgängerzonen angesprochen werden – Dinge, an denen man sich in den letzten Jahren doch echt schon satt gesehen hat. Einzig seine Darstellung eines amerikanischen Popstars ist recht amüsant. Merke: stelle einem Farbigen einfach ein paar breitschultrige Anzugträger mit Knopf im Ohr zur Seite und alle Welt will sich mit dem vermeintlichen Weltstar fotografieren lassen (auch wenn man ihn nicht erkennt, „Ist das Akon?“). In Teddy steckt echt Potenzial, aber momentan würde ich ihn wohl lieber mal mit einem vollwertigen Stand-Up-Programm auf der Bühne sehen anstatt in einer austauschbaren Comedy-Show, wie es sie schon viel zu viel gibt.
Bewertung: 6/10
German Angst
Eine Binsenweisheit: Der Deutsche hat Angst vor allem, was ihm fremd ist. Und anstatt das Fremde kennenzulernen, legt er sich lieber ein paar Vorurteile parat, die seine Angst nur noch bestärken. Genau damit will Moderator Micky Beisenherz aufräumen. Er hat sich zur Aufgabe gemacht in „German Angst“ die Vorurteile der Deutschen gegenüber Randgruppen zu demontieren. Grundsätzlich ja eine lobenswerte Aufgabe. Aber: wenn man sich in der Pilotsendung gleich an der „Randgruppe“ abmüht, vor der es in der deutschen Bevölkerung sicherlich die meisten Berührungsängste gibt – Muslime – was soll dann noch groß als weitere verkannte Randgruppe in Serie gehen? Angst vor Punks, Nazis, Autofanatikern, Ballerspielern? Beisenherz macht vieles richtig: er besucht eine Moschee, er befragt eine Grundschul-Klasse beim Koran-Unterricht und konfrontiert deutsche Normalbürger mit einem proletigen Schreihals, der gegen „Türken und so“ Stimmung machen will. Als „Betroffenen und Gast“ hat er den von mir sehr geschätzten Deutsch-Türken Murat Topal am Start. Fazit: eine löbliche Aufgabe, ein hehres Ziel – nur wohl leider zu wenig Potenzial für eine komplette Serien-Produktion.
Bewertung: 6/10