Familie Crain hat schon ein recht außergewöhnliches Geschäftsmodell: gemeinsam mit ihren fünf Kindern ziehen Hugh und Olivia in heruntergekommene Häuser, renovieren sie, um sie weiterzuverkaufen und sich der nächsten maroden Immobilie zuzuwenden. In den 80er Jahren soll das Hill House nun das letzte Haus werden, von dessen Verkauf sie sich so viel Geld versprechen, um dann ihr selbst entworfenes “Für-immer-Haus” zu bauen. Doch es läuft nicht nach Plan: im Haus gibt es geisterhafte Erscheinungen und letztlich kommt Olive auf geheimnisvolle Weise ums Leben.
Zeitsprung in die Jetzt-Zeit: inzwischen sind die Geschwister im ganzen Land verteilt und halten nur noch losen Kontakt. Doch seltsame Erinnerungen und Visionen bringen sie dazu, sich erneut über die damaligen Vorkommnisse im Hill House auszutauschen – und sich dem Grauen zu stellen.
Ganz grob erscheint die Geschichte ein wenig wie Stephen Kings “Es”: Erinnerungen an Geistergeschichten aus der Kindheit führen die inzwischen Erwachsenen wieder zusammen, um es erneut mit dem Bösen aufzunehmen. Als Serie mit einer Laufzeit von gut zehn Stunden funktioniert das sogar sehr gut!
“Spuk in Hill House” ist keine Serie, die man mal so nebenbei schauen kann. Dafür wird zu häufig in den verschiedenen Zeiten gesprungen. Es gibt eben nicht nur die “Damals” und “Heute”-Zeitebene. Nein, diese sind in sich dann auch noch einmal unterteilt, so dass man sich in manchen Szenen tatsächlich erst ein wenig orientieren muss, wo sie in der Abfolge der Ereignisse einzusortieren sind. Dadurch wird die Serie zugegebenermaßen teilweise etwas sperrig. Ebenso schwer fiel es mir in den ersten Folgen jeweils die Erwachsenen ihren Kinder-Pendants aus den 80ern zuzuordnen. Wenn man den Dreh aber erst mal heraus hat, wirkt das alles schon wieder sehr stimmig und für die unterschiedlichen Charaktere der Kindheit wurden ganz passende Erwachsenen-Darsteller gefunden.
Was die Serie wirklich sehr gut hinbekommt, ist der Grusel-Effekt. Die Schockeffekte sind wohldosiert, aber sehr eindringlich. Es ist keine Aneinanderreihung von Schockmomenten, vielmehr wird fast die ganze Zeit die Spannung gehalten, es könnte jetzt etwas passieren. Und auch in den schlimmen Momenten ist die Serie erfreulich unblutig. Ein gutes Beispiel für die geschaffene Atmosphäre ist eine minutenlange Dialogszene mit einer Ballhaus-Kameraführung. Während unterschiedliche Personen miteinander reden, werden sie minutenlang von der Kamera umkreist. Irgendwann sieht man im Hintergrund kurz einen Geist stehen. Bei der nächsten Runde der Kamera ist er wieder verschwunden. Solcherlei Szenen gibt es viele. Ich mag es sehr, in dieser Form an den Nerven gekitzelt zu werden, anstatt dass man mir explizit blutige Gewaltszenen vorsetzt.
An vielen Stellen habe ich den Eindruck bekommen, die Produktion der Serie muss recht günstig gewesen sein. Viele Szenen sieht der Zuschauer doppelt. In den meisten Fällen ist das aber eher positiv zu sehen, denn in der zweiten Version werden einem Umstände und Dinge offenbar, die in der ersten Einstellung nicht präsent waren. Ein gern genutztes Stilmittel, das mich seinerzeit auch in “How I Met Your Mother” ein ums andere Mal erfreute. Hier natürlich in einem anderen Zusammenhang: wenn in der ersten Szene eine Person verschreckt durch den Flur läuft, aber erst beim zweiten Mal klar wird, warum sie so erschrocken ist, dann kann man den Zuschauer damit schön bei der Stange halten.
Vielleicht hätte man an einigen wenigen Stellen ein paar Längen entfernen können, aber vielleicht waren die auch gerade für die wirklich dichte Atmosphäre notwendig. „Spuk in Hill House“ nimmt in aller Seelenruhe Fahrt auf, um dann auch in höchster Fahrt eher die Nerven einfach nur ein wenig zu kitzeln anstatt sie mit Blut-Orgien zu übersättigen. Wohlig-warmer Grusel – ich mag das!
Die Darstellerriege ist erfrischend unverbraucht und durchaus talentiert. Ein kleines Mädchen stellte sich als die Präsidenten-Tochter aus “Designated Survivor” heraus. Eine weiteres unverhofftes Wiedersehen hat mich aber dennoch überrascht: der junge Hugh Crane wird gespielt von Henry Thomas. Ein Name, den man vielleicht nicht so präsent hat, den wir aber alle kennen. Henry Thomas hat in den 80er Jahren in “E.T.” den Elliot gespielt. Und den sieht man ihm heute immer noch an. Ansonsten viele neue Gesichter, die sowohl den jungen Kindern als auch ihren erwachsenen Pendants viel Charaktertiefe zu geben vermögen. Allesamt zu jeder Zeit eine sehr unterschiedliche Rasselbande.
Fazit: eine etwas andere Familiengeschichte, die mit wenig Horror, dafür aber mit viel Grusel und teilweise hammerharten Schockeffekten durchaus begeistern kann.
Anbieter: Netflix
Wertung: 4/5