QR-Codes: Verkanntes Potential dank falscher Anwendung

Immer wieder musste ich mich von Andy trietzen lassen, weil ich ein absoluter Verfechter von QR-Codes bin. Ich sehe ein großes Potential in den schwarz-weißen Kästchen, die umfangreiche Informationen enthalten können. Ich gehe in meiner Überzeugung sogar viel weiter und habe gerade frisch meine Wohnung mit QR-Codes „dekoriert“.
Andy lächelt süffisant: Für ihn sind QR-Codes umständlich, unnütz und mit großer Freude verweist er auf Blogs wie WTF QR-Codes, welche die Sinnlosigkeit von QR-Codes noch unterstreichen sollen. Doch warum gerade diese Seite der größte Beweis ist, dass QR-Codes ein verkanntes Potential sind, das erkläre ich in diesem Artikel.

Was sind QR-Codes?

Ein QR-CodeQR-Codes habt ihr sicherlich schon einmal gesehen. Es sind schwarz-weiße Kästchen-Anordnungen, die quasi überall aufgedruckt, aufgeklebt und verbreitet werden. Was für uns Menschen eine optisch zufällige Anordnung von Kästchen ist, ist für z.B. Mobiltelefone eine Datenquelle. Der QR Code funktioniert ähnlich den Barcodes, die auf jedem Produkt aufgedruckt sind und beim Einkaufen an der Kasse eingelesen werden. Mit einem Unterschied: Barcodes können nur bis zu 13 Zeichen darstellen, in der Regel eine Inventarnummer o.ä.. QR-Codes können hingegen bis über 4000 Zeichen als Information darstellen.

Und das birgt ein riesiges Potential in sich. QR-Codes sind nicht beschränkt auf ein paar Ziffern, sondern in ihnen lässt sich viel mehr speichern:

  • Webadressen
  • Telefonnummern
  • SMS-Anweisungen
  • ganze Visitenkarten
  • simple Texte

Es gibt noch viel mehr, was man mit QR-Codes machen kann, doch quasi alles leitet sich von diesen Kerninhalten ab. Erfunden wurde der QR-Code für Toyota, die ihre Lagerverwaltung optimieren wollten. Das Ergebnis ist der QR-Code, dessen Funktionsweise offen gelegt wurde und frei genutzt werden darf. Aus der Historie der Lagerhaltung stammt auch die Eigenschaft, dass bis zu 30% des Codes beschädigt sein können (Dreck, abgerissen) und die Matrix immer noch gelesen werden kann.

Genutzt wird der QR-Code abseits der Lagerhaltung gern, um auf Webseiten zu verweisen, wo es dann weitere Informationen zu dem Plakat, der beworbenen Aktion oder gar ein Gewinnspiel gibt. Der Kunde greift zum Smartphone, scannt den Code und landet gleich auf der Zielseite.
Eigentlich ziemlich cool, oder? Aber leider krankt das Prinzip QR-Code weltweit an drei Hürden, ohne die der QR-Code eine Erfolgsstory wäre.

Hürde 1: Fehlende einfache Unterstützung beim Scannen

Ein QR-CodeEs ist egal, ob wir nun auf Smartphones mit Android schauen oder auf die iPhones/iPods da draußen: Alle haben sie eine Kamera, die teils aus dem gesperrten Bildschirm aufgerufen werden kann. Fotos schießen, um den Schappschuss festzuhalten? Heutzutage schon fast mit Mobiltelefonen möglich. Leider können die Kamera-Apps aber auch nur Fotos machen. Eine Logik zum QR-Code erkennen haben sie nicht.

Die Folge: Es müssen extra Apps zum QR-Code-Scannen installiert werden, um einen QR-Code zu lesen. Anstatt „mal eben“ den Code zu scannen, muss immer das Telefon entsperrt, die App aufgerufen und der Code gescannt werden. Viel zu großer Aufwand. Macht keiner. Selbst ich erwische mich häufig, in Zeitschriften oder auf Plakaten QR-Codes zu sehen, neugierig, aber zugleich zu faul zu sein, nun das Phone rauszukramen und mehrere Sekunden in die Inbetriebnahme des Scanners zu investieren.
Und die, die noch gar nichts mit QR-Codes zu tun hatten, die müssen sogar noch Apps vorher installieren – jegliche Neugierde wurde zwischenzeitlich von technischen Hürden aufgefressen.

QR-Codes würden sich einer wesentlich größeren Akzeptanz erfreuen, wenn die Hersteller von Smartphones eine Option zur Erkennung von QR-Codes in ihre eigene Kamera-App integrieren würden. Der Aufruf wäre ähnlich dem einem schnellen Schnappschuss und damit wesentlich einfacher.

Hürde 2: Sinnlose Nutzung von QR-Codes

Ein QR-CodeDie größte Hürde überhaupt: Wenn wer tatsächlich den Aufwand auf sich nimmt und den QR-Code scannt, landet er zu 80% auf einer Standard-Facebook-Seite. Bitte einmal „Gefällt mir“ für mein Produkt klicken. Leute, wie plump ist das denn? Ein QR-Code muss demjenigen, der ihn scannt, einen Mehrwert geben. Eine plumpe Facebook-Seite ist womöglich aus Marketing-Sicht der heisseste Scheiss: „Oh mein Gott, unsere Produktjünger können sogar von unterwegs uns liken“ – mal ehrlich: Wer hat sich das ausgedacht? Und für so etwas bekommt man Geld?
Wenn ich ein Produkt mag, dann like ich das nicht, weil ich gerade an einem Plakat vorbeirenne. Sondern schlicht aus Überzeugung. Die sogenannte „Conversion Rate“ bei QR-Codes, die auf Facebook zeigen, ist doch nicht einmal die Tinte der Plakate wert.

Weitere 19,5% der QR-Codes verweisen auf nicht optimierte Webseiten derjenigen, die den Code generiert haben. Was hat da der User für einen Vorteil? Ui, er ist auf der Standard-Herstellerseite – kann aber nichts lesen, weil alles viel zu klein ist oder viel zu lange für die mobile Nutzung lädt. Optimierung auf mobile Geräte ist ein Fremdwort. Ist auch aufwändig und teuer, ja. Aber dann generiere ich auch keine QR-Codes.

Weitere 0,4% haben das mit der mobilen Seite verstanden, die Ladezeit ist vollkommen im Rahmen, die Seitenelemente sind auch auf dem kleinen Handy zu lesen und zu bedienen. Alles hübsch.
Aber was soll der Anwender nun auf der Seite? Da stand er vor einem Plakat, das das neuste Produkt anpreist, scannt den Code und landet auf der Herstellerseite. Keiner bleibt vor dem Plakat stehen und denkt sich „Ach huch, mensch, da bin ich nun auf der Seite, mal schauen, was dieser Hersteller noch so anbietet. Und vor allem: Wo ich auf dieser mobiloptimierten Seite Informationen zu der beworbenen Aktion finde.

Und die letzten 0,1%, die haben -endlich- das Prinzip von QR-Codes verstanden: Sie liefern Mehrwerte beim Scannen. Nährwertinhalte beim neuen Hamburger. Anbaugebiet vom Wein. Link zum virtuellen Rundgang durch die Wohnung im Immobilienteil. Innenansichten vom zu kaufenden Auto. Direkttelefonnummer zum Vermittler der neuen Wohnung. Alle Visitenkarteninformationen des Produktberaters auf der Messe, direkt ins Smartphone-Adressbuch. Gutschein-Codes, die 10% auf den Einkauf im Laden geben. Kryptische, 40-stellige WLAN-Kennwörter zum Kopieren in die WLAN-Einstellungen.

Hürde 3: Falsche Platzierung von QR-Codes

Ein QR-CodeHier verweise ich einfach auf das obenerwähnte Blog „WTF QR Codes„. Wer auf die Idee kommt, QR-Codes von außen auf fahrende Objekte wie Busse, Autos oder gar Züge zu kleben, der gehört an selbiges angebunden.
QR-Codes auf T-Shirts: Vielleicht eine funky Idee, aber wer fischt mal eben beim Vorbeigehen sein Smartphone heraus, um mal eben den Code zu scannen? Bis dahin ist das Objekt der Begierde (und ich rede hier nur vom QR-Code…) doch schon einen Halbmarathon entfernt.
QR-Codes auf Webseiten anstatt einfach einen Link auf die Unterseite zu setzen, das scheint auch beliebt zu sein. Getoppt wird diese Konstellation nur dadurch, dass der QR-Code genau auf die selbe (nicht mobiloptimierte) Unterseite führt wie die, von der der QR-Code stammt.
Genauso sinnlos: QR-Codes auf Plakatwänden an der Straßenbahnhaltestelle. Aber bitte so klein, dass sie aus mehreren Metern Entfernung, die eben technisch bedingt eingehalten werden müssen, wenn man nicht gerade den QR-Code seines kommenden Bestatters scannen möchte, nicht gelesen werden können.
Zu klein ist eh ein tolles Thema. QR-Codes, die nur 40x40cm groß, aber im 7. Stock angebracht sind, sind offensichtlich Superman-optimiert. Oder der Trampolin-Weltmeistermannschaft vorenthalten.
Oder das Anbringen von QR-Codes auf der Rückseite von Flaschenettiketten, sodass die Codes nicht lesbar sind, weil die Rundung der Flasche den Code schlicht zerstört.

Ich könnte unendlich weitermachen…

Wie QR-Codes also sinnvoll nutzen?

Ein QR-CodeEs gibt so viele Ideen, wie man QR-Codes sinnvoll nutzen kann. Viele Beispiele habe ich schon unter „Hürde 2“ bei den letzten 0,1% angegeben.

WLAN-Kennwort: Sichert euer WLAN mit einem echten kryptischen Kennwort ab. Anstatt die lange Zeichenkette händisch einzutippen, scannt einfach den QR-Code bzw. bietet euren Gästen diesen QR-Code an.
Visitenkarten: „Wie ist denn deine Adresse und deine Telefonnummer? Warte, ich rufe dich mal an, um zu schauen, ob die Nummer richtig ist“ – mit QR-Codes so einfach zu erschlagen. Ich habe einen QR-Code generiert, der meine Kontaktdaten (Name, vollständige Adresse, private Mail, geschäftliche Mail, Festnetz, Handy und geschäftliches Handy) codiert hat. Einfach scannen und ins Adressbuch übernehmen. Auch sehr sinnvoll auf Messen: Denn was passiert mit den ganzen Visitenkarten, die man sich freundlich lächelnd ausgetauscht hat? Sie werden von Bürokräften mühsam abgetippt und in ein Adress-System überführt. Warum nicht die Daten gleich digital zwischenspeichern, um sie 1:1 ins System zu übernehmen?
Weitere Informationen bei teuren Käufen: Wer sich ein Eigentumshaus oder ein Auto kauft, wünscht sich ein paar mehr Informationen als nur die harten Fakten. Wie wäre es mit einem virtuellen Rundgang durch das Haus, ein Video auf YouTube, genau dieses Auto von der Innenansicht und beim Fahren?
Produktkennzeichnung: Wo genau kommt mein Stück Rind her? Von welchem Anbaugebiet stammt mein Wein? Wie trinke ich den Wein am Besten? All das ließe sich mit QR-Codes auf dem Produkt abbilden.

Eigentlich liegt es nur an der Kreativität derjenigen, die die QR-Codes für sich nutzen wollen, diese auch richtig zu nutzen

Es liegt nicht am QR-Code

Ein QR-CodeDer fehlende Erfolg von QR-Codes ist nicht den Codes selbst zuzuschreiben. Es ist die fehlende Unterstützung und die diletantische Nutzung des Mediums. Nur, weil man Webadressen codieren kann, muss man nicht zwingend die eigene Webseite oder Facebook verlinken. Stattdessen muss es einen echten Mehrwert geben – jetzt, hier und genau für den Zweck, wo man den Code her hat. Nur, weil man Text codieren kann, muss man nichts hinschreiben, was auch gedruckt hätte werden können.
Es bedarf wahrer kreativer Ideen, um die QR-Codes wirklich nützlich zu machen.

Die Zukunft spricht NFC. Datenaustausch, indem man das Handy näher als 10cm an bspw. das Plakat hält. NFC ist genau so wie QR-Code zum Tode verurteilt, wenn die Möglichkeiten genauso frustierend schlecht angewandt werden wie beim QR-Code.
Mit einem Unterschied: NFC wird bereits von einigen Handys unterstützt. Immerhin eine Hürde weniger.

Doch die Dummheit der Menschen wird bleiben…

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