Filmszene aus Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Regie: Éric Toledano, Olivier Nakache, Nathalie Vierny
Drehbuch:
Schauspieler*innen: François Cluzet, Omar Sy, Dominique Henry, Anne Le Ny

Kinostart D:
Kinostart US:
Originaltitel: Intouchables
Laufzeit: 1:52 Stunden
Filmposter: Ziemlich beste Freunde

Filmkritik zu Ziemlich beste Freunde

Benutzerbild von Phil
4/ 5 von

Die Mixtur der beiden Protagonisten könnte verschiedener nicht sein: Philippe lebt im Luxus, ist hochgebildet und interessiert sich für abstrakte Kunst. Driss hingegen ist der schwarze vorlaute Verbrecher, der im sozialen Brennpunkt lebt und viele familiäre Probleme zu klären hat. Es ist eine Gratwanderung, diese beiden Chraraktere miteinander zu verbinden, doch in diesem Fall ist das grandios gelungen. Philippe geht pragmatisch mit seiner Behinderung um und dies schließt so manchen Eigen-Zynismus gern mit ein. Und so schafft er es immer wieder, mit gut gesetzten Kontern Driss den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Um den Zuschauer abzuholen und die unter Umständen übertriebenen Berührungsängte zu nehmen, beginnt der Film mit einer gut inszenierten Eröffnung, in der ganz deutlich klar wird, dass auch Philippe augenzwinkernd mit seiner Behinderung umgeht – und erst mit dieser Erkenntnis kann der gesamte Film in seiner latenten Leichtigkeit fuktionieren.

„Ziemlich beste Freunde“ ist eine Komödie, die ihren Witz vor allem da heraus zieht, dass Driss keine Berührungsängste vor Reichen und vor allem Philippes Behinderung hat. Dass er dabei manchmal über die Stränge schlägt, liegt auf der Hand, tut dem Film aber besonders gut. Doch auch die schwierigen Seiten der Behinderung werden nicht ausgeblendet: Driss wird mit Kompressionsstrümpfen und Toilettengängen genau so konfrontiert wie damit, dass Philippe nachts schwer atmend und im Schweißausbruch aufwacht und nicht sagen kann, was mit ihm los ist.
Hier bekommt der Film eine Tiefe, die den gesamten Film fast schon perfekt abrundet: Driss zeigt, dass sich hinter der vorlauten Schale ein zutiefst liebenswürdiger Kern verbindet. Und Philippe zeigt, dass er doch unter seiner Behinderung ziemlich zu leiden hat. Nur, um dann in einer Diskussion über beispielsweise rote Ohren wieder galant die Kurve in die Komödie zu bekommen: Sehr clever gelöst. Nicht zu sehr auf Mitleidstour gemacht, denn diese täte dem Film nicht gut, aber dennoch die ernsten Themen nicht ausgeblendet.

Im Grunde gibt es nur wenig, was man an diesem Film bemängeln kann: Die Protagonisten passen einfach gut zusammen, der Film ist lustig und nachdenklich zugleich und die Charakterentwicklung von Driss hin zu mehr Verantwortung ist nicht zu übersehen. Ärgerlicherweise wollte man noch Driss‘ sozialen Probleme mit in den Film einbinden, schafft es aber nicht einmal ansatzweise, denen eine ähnliche Tiefe wie der Beziehung zu Philippe zu geben. So beschränkt sich die Konfrontation mit Driss‘ Mutter auf ein kleines Streitgespräch. Die Probleme mit Driss‘ Bruder haben ein großes Potential gehabt, aus dem aber so wenig geschöpft wurde, dass man diesen Handlungsstrang auch gleich hätte weglassen können.
Aber in der Summe tut das dem Film kaum einen Abbruch: Lustig, nachdenklich, menschlich, ein Stück Abenteuer, auch ein Stück postitive Abgefahrenheit, alles findet man in der besten französischen Komödie 2011 wieder. Die Auszeichnug trägt der Film zurecht und beweist einmal, dass es die Franzosen einfach drauf haben, schwierige Themen anzupacken und unterhaltend umzusetzen, ohne dabei die notwendige Tiefe zu vernachlässigen.

Benutzerbild von andreas
5/ 5 von

Es ist schon selten, dass ein Film dermaßen viele gute Kritiken einheimsen kann. In meinen sozialen Netzwerken kam sogar von jenen Menschen, die nur selten ins Kino kommen und denen das Thema Film eigentlich ziemlich schnurz ist, eine dermaßen überschäumende Begeisterung zutage, wie man sie nur selten erlebt. Außerdem darf es schon als eine ziemlich außergewöhnliche Sache angehen werden, wenn ein kleiner französischer Film mehr Zuschauer ins Kino lockt als beispielsweise „Fluch der Karibik 4“ oder auch „Black Swan“ und „The King’s Speech“ zusammen!

Entsprechend hoch waren natürlich auch meine Erwartungen an den Film, denen er von der ersten Minute an tatsächlich gerecht geworden ist. Von Beginn an versprüht der Film trotz eines eher bedrückenden Grundthemas doch immer eine ordentliche Portion Leichtigkeit. Ohne es in Worte zu fassen – und vor allem ohne es selbst zu merken! – proklamiert die Hauptfigur Driss mit jedem Kommentar unterschwellig ein nachhaltiges „Ich liebe das Leben!“, das sich nicht nur auf den querschnittsgelähmten Philippe, sondern auch auf das Kinopublikum überträgt. Darsteller Omar Sy schafft es in seiner Darstellung des Driss eine ungehörige Schippe Prolligkeit mit liebenswerter Naivität, viel Charme und wohldosierter Verschmitztheit zu verquirlen, so dass man diesen heruntergekommenen Kerl aus schlechtem Hause selbst gern als guten Freund hätte.

Ohne Hemmungen werde da Behinderten-Witze gemacht, bei denen man anfangs noch einen Tabubruch fürchtet. Doch nach kurzer Zeit geht einem auf, dass genau diese Art der Behandlung und genau diese naive Herangehensweise an das Thema („Echt jetzt? Du hast kein Gefühl mehr im Bein? Kein Scheiß?“) der vielleicht einzig wahre Weg ist, sich diesem Thema zu nähern und das Publikum zu sensibilisieren. Natürlich kann man auch Behinderte – so wie eigentlich überhaupt keine Gruppe – über einen Kamm scheren. Sicherlich gibt es Personen, die auf Sprüche der „Marke Driss“ verletzt reagieren. Aber der Film trägt schon nachhaltig einen Teil dazu bei, dass man Behinderte nicht unbedingt mit Samthandschuhen anfassen muss, sondern sie einfach „normal“ behandeln sollte. Ist doch schön, wenn ein Film mit so einer Botschaft so viele Menschen ins Kino – und vielleicht auch zum Nachdenken – bringt.

Ich kann mich den allseitigen Lobeshymnen nur anschließen: „Ziemlich beste Freunde“ ist das Beste, Unterhaltsamste und auf seine Weise Mitreißendste was es seit langem im Kino zu sehen gab. Und das sage ich nicht nur, weil die rothaarige Nebendarstellerin so bezaubernd war. 😉

Durchschnittliche Wertung: 2.5/5, basierend auf 2 Bewertungen.

Ziemlich beste Freunde im Heimkino

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