Bild: Jason Rosewell (Unsplash License)

10 Jahre Nerdtalk – die Aufnahmetechnik

Immer wieder kommt die Frage auf, mit welchem Equipment wir den Podcast produzieren. Zum 5-Jährigen hatte ich schon einmal einen Artikel geschrieben, aber seitdem hat sich natürlich einiges verändert.
Hier ein Blick hinter die Kulissen, wie wir heute die Podcasts produzieren.

Die Hardware

Berlin

Lars setzt einen Zoom H2n ein, ein mobiles Aufnahmegerät, das auch als Mikrofon agieren kann. Die gesamte Zoom-Reihe zeichnet sich durch eine hervorragende Aufnahmequalität und vielen Funktionen zu einem wirklich fairen Preis aus. Als stationäres Mikro und als mobiles Aufnahmegerät sind wir quasi unlimitiert flexibel.
Als Halterung nutzt er einen recht klassischen Mikrofonständer samt Popschutz.

Hannover

Ich selbst habe bis vor einiger Zeit mit dem Vorgänger, dem Zoom H2, aufgenommen. Seit einiger Zeit setze ich aber auf Mischpult und eigenes Headset. Technisch ausgedrückt ist es das Behringer Xenyx 302USB mit angeschlossenem Superlux HMC 660-Headset. Ich empfinde es als sehr angenehm, nicht das Mikrofon und gar einen Poppschutz im Blickfeld zu haben. Zudem bleibt die Sprachqualität immer gleich, auch, wenn man sich mal zurücklehnt. So nehme ich wesentlich bequemer auf, weil ich nicht auf meine Sitzposition achten muss.

Behringer Xenyx 302USB mit angeschlossenem Superlux HMC 660

Womöglich auch aus meiner Radio-Spleen heraus mag ich den Over-Ear-Aufbau, der die Ohren komplett umschließt. Um das Tragen auch bei längeren Sessions bequem zu halten, habe ich die mitgelieferten Ohrenpolster gegen hochwertigere ausgetauscht.

Für mobile Aufnahmen habe ich weiterhin den Zoom H2, den ich auch gerne nutze, um Interview-Situationen aufzunehmen. Dafür nutze ich zwei Lavaliermikros, die dann via Y-Peitsche angeschlossen werden. Reicht vollkommen aus.

Die Software

Früher haben wir Nerdtalker uns via Skype zusammengefunden und jeder Teilnehmer hat sein Audio auf dem eigenen Rechner aufgenommen. Das funktionierte und brachte auch Qualität.

Nachteile waren aber, dass man die technische Anhängigkeit zum Gelingen des Gesamtwerks auf viele Köpfe verteilt statt zentralisiert hat, die Dateien nach der Aufnahme erst an verschiedenen Stellen redern und bereitstellen musste oder alle Spuren mussten zum Schnitt importiert und aufeinander synchronisiert werden.
Hinzu kamen technische Probleme wie zu kurze oder zu lange Aufnahmen trotz gleicher Aufnahmedauer – das liegt in den asynchronen, pro Rechner unterschiedlichen Zeitmessern, deren Differenzen sich bei 3-Stunden-Aufnahmen schon einmal auf 10-15 Sekunden ansammelten.

Ultraschall – die HighEnd-Podcast-Aufnahmesoftware

Dann stieß ich auf das Ultraschall-Projekt, das auf der Software Reaper basiert. Reaper ist eine sehr umfangreiche DAW, die aber auch extrem anpassbar ist. Und so haben sich ein paar Leute hingesetzt und Reaper auf Podcaster-Anforderungen modifiziert. Und das haben sie extrem gut gemacht. Die ganzen Vorteile aufzuzählen, würden den Rahmen des Artikels sprengen, aber Ultraschall wird mit dem Studio-Link-Plugin ausgeliefert.

Ultraschall – der leichte Einstieg ins Highend-Podcasting

Dieses verbindet mehrere Gesprächspartner ohne Eingriff in die Qualität (technisch: kein Kompressor, kein Leveling, kein EQ) und leitet die Signale direkt als eigene Spur in Ultraschall. Die Vorteile liegen auf der Hand: Nur einer ist für die Aufnahme verantwortlich, durch die ausgebliebenen Eingriff in den Sound kommt dieser einerseits glasklar, andererseits offen für Nachbearbeitungen an. Direkt in dem Editor.

Seit einiger Zeit kann man mit Studio Link und Ultraschall auf Mausklick live streamen, was wir zum Anlass genommen haben, unsere eigene Streaminglösung über selbstinstalliertes Icecast zugunsten von dieser Lösung abzureißen.

Mach den Domian – mit einem Mausklick

Ultraschall bedarf durchaus etwas an Einarbeitung, Vorkonfiguration und Verständnis für Audio. Aber wenn man das Prinzip verstanden hat, ist es kein Problem, mit einem Mausklick ein Preset zu laden, das drei Gesprächspartner via Studio Link verbindet, zusätzlich ein CallIn über Telefon zulässt, einen Musikplayer und Soundboard integriert, all das nicht nur aufnimmt, sondern zeitgleich streamt und für den Stream verschiedene Ein-Klick-Einstellungen bereitstellt, um die Gesprächspartner für den Stream unhörbar zu machen, sodass „private“ Vor- und Nachgespräche möglich sind.
Dass alles zusammengreift, haben wir in unserer Sendung zu 10 Jahren Nerdtalk bewiesen.

Screenshot aus Ultraschall zu unserer Sendung anlässlich 10 Jahre Nerdtalk

Der Workflow

Lars und ich sind die einzigen, regelmäßigen Mitarbeiter an Nerdtalk. Deswegen geschieht die Kommunikation abseits der Aufnahmetage ganz klassisch via WhatsApp und Twitter-DMs. Sollten wir aber mal mehr Mitarbeiter bekommen, gibt es bereits heute einen vorbereiteten Slack-Channel, um sehr flexibel diverse Themen auszutauschen.

Der Konzeptzettel

Der berühmte Konzeptzettel, an dem wir uns jede Woche entlanghangeln, ist ein Dokument bei Google Docs. Hier pflegen wir vor der Sendung alle Themen ein und haben die Flexibilität, auch während der Sendung live Themenblöcke zu tauschen, auf kommende Sendungen zu schieben oder uns kleine Notizen zu schreiben.
Spannend: Seitdem wir mit diesem Konzeptzettel arbeiten, überschreiben wir einfach die Angaben von der vergangenen Woche statt ein neues Dokument zu erstellen. So ist die älteste abrufbare Revision dieses Dokuments vom 04. April 2012 und liegt immer noch im Vollbesitz von Andy.

Ziemlich unspektakulär – aber wichtiges Werkzeug während der Aufnahme: Der Konzeptzettel

Die Postproduction

Nach der Aufnahme findet recht wenig Post-Production in Ultraschall statt: Einerseits, weil durch die wöchentliche Routine die Soundqualität an sich gut eingespielt ist, andererseits, weil Auphonic einen guten Job macht.
Die Rohdateien werden im FLAC-Format exportiert, das meist nur geringfügig größer ist als eine mp3 in 320kbit/s. Dafür komprimiert das Format verlustfrei und somit ohne Einwirkungen auf die Sound-Qualität. Am Ende ist ein regulärer Podcast um die 800MB groß, was die Rohdaten betrifft.

Die ganze HiWi-Arbeit macht der Onlinedienst Auphonic. Der Dienst sorgt für die automatisierte Bearbeitung von Audiodateien, übernimmt das Pflegen der Metadaten und auch die Veröffentlichung auf verschiedenen Plattformen. In unserem Preset verarbeitet Auphonic jede Spur einzeln, entfernt Störgeräusche (Noise and Hum Redction sowie Filtering) und gleicht alle Spuren dann auf ein gemeinsames Level an (Adaptive Leveler). Diverse Metadaten wie Künstler, Titel, Album, Genre, … sind im Preset schon gepflegt, sodass nur noch ein kurzer Teaser sowie die Episoden-Nummer hinterlegt werden muss.

Wir nehmen gern Spenden bei Auphonic entgegen

Sehr charmant ist die Funktion von Auphonic, eigenständig Intros und Outros zu verarbeiten, auch mit automatisiertem Überschneiden mit dem Podcast. Seit knapp einem Jahr wurden keine separaten Intro/Outro mehr in den Podcast geschnitten.
Am Ende exportiert mir Auphonic alles direkt auf den FTP-Server, in meine Dropbox und mit Standbild in unseren YouTube-Channel. Es gibt noch weitere Funktionen wie eine automatische Transkription oder kleine Teaservideos für Social Media: Beides ist mir aber Stand heute noch nicht ausgereift genug.

Das Publishing

Das Publishing hier auf der Seite und auch zu iTunes übernimmt der Podlove Podcast Publisher, der sehr mächtig ist, aber in seiner Mächtigkeit auch etwas unübersichtlich. Es gibt fast nichts, was man mit diesem Plugin nicht machen kann, für den Laien ist der Einstieg aber sicherlich trotz einiger Wizards nicht easy.
Aber, vielleicht wird bald alles besser: Mit leichtem Stolz schaue ich seit Kurzem auf die deutsche Übersetzung, die zu großen Teilen von mir beigesteuert wurde.

Nerdtalk liegt mit allen Daten (und somit auch den Podcasts) bei all-inkl.com in einem ganz normalen Webspacepaket. Es gab nie irgendwelche Probleme, dass man mit den Transfervorlumina des Podcasts unzufrieden sei. Und das seit knapp 11 Jahren Kundenbeziehung.

Fazit

Das ganze Audio-Equipment auf einem Foto – eigentlich recht übersichtlich.

Zoom H2, HMC 660, Lavaliermikros, Ultraschall, Studio Link, Google Docs, Auphonic, Podlove Podcast Publisher, … . Das Setup klingt umfangreich. Für 10 Jahre Existenz auf dem Podcast-Markt ist es aber relativ schmal gehalten, zudem zusätzlich auch sehr günstig. Viele Tools sind kostenlos, das dem Ultraschall zugrunde liegende Reaper kostet einmalig unter 70 EUR. Die Headset-/Pult-Combo kostete weniger als 100 EUR.
Mit den nun zur Verfügung stehenden Mitteln gibt es eine uneingeschränkte Spielwiese für alles, was die Podcast-Audioproduktion braucht und qualitativ hochwertig macht.

Man kann heute hervorragende Podcasts mit moderatem Invest veröffentlichen – die Zeiten von hohen drei- oder gar vierstelligen Zahlen sind schon lange vorbei. Bereits jedes normale Gamer-Headset bietet heutzutage einen guten Start ins Podcasting.
Es ist ähnlich wie bei der Fotografie: Heutzutage entscheidet nicht mehr die Kamera über gute Qualität, sondern die Methode, wie man sie anwendet. So auch beim Podcasten: Versteht, wie die einzelnen Komponenten zusammenspielen. Lernt, wie ihr eure Tools anwenden müsst. Experimentiert mit den verschiedenen Feldern und entwickelt etwas Neues.

Denn am Ende ist die Technik auch wichtig, aber viel wichtiger ist Kreativität und Authentizität.
Der Rest kommt von selbst 🙂

Zum Abschluss einige persönliche Worte

Angenommen, man hat sein Thema und fühlt sich in diesem auch wohl.
Wie kann man seinen Podcast nachhaltig verbessern, wenn nicht durch die Technik? Klar, noch bessere Mikros gehen immer, noch mehr Dämmung des Aufnahmeraums geht immer, die letzte Postproduction geht immer. Aber, erneut der Vergleich zur Fotografie: Wenn das Grundmaterial schon schlecht ist, bringt weder Technik noch Postproduction etwas.

Was ist das Grundmaterial im Podcast?
Korrekt, die Stimme. Das Sprechen. Es ist nicht schlimm, wenn ein Mikro ein bisschen rauscht oder der Podcast nicht perfekt ausgepegelt ist. Aber wenn man den Leuten nicht zuhören kann, weil die Podcaster nuscheln oder ohne Intonation sprechen, kurz: Nicht fürs Hören produzieren, dann ist das Podcasting zum Scheitern verurteilt.

Sprechen – tun wir alle tagtäglich. Aber tun wir es richtig?
Bild: Jason Rosewell (CC0)

Wenn ihr einen Podcast nachhaltig verbessern wollt, fangt bei eurem Sprechen an. Lernt gutes Sprechen!
Versteht, wie Stimme biologisch funktioniert. Versteht, wie ihr euch und euren Stimmapparat steuern könnt. Versteht, dass es verschiedene Stimmvariationen gibt, welche Wirkung sie haben und wie ihr diese abrufen könnt.
Die Ansätze zur Verbesserung sind zahlreich: Alle Moderatoren sprechen in ein Mikro, so wie ein Podcaster. Jeder Rhetoriker will gute Sprache erreichen, so wie ein Podcaster. Besucht Rhetorikkurse, besucht Moderatorenkurse oder macht Selbststudium. Bei letzterem seid konsequent: Man macht sich ziemlich zum Affen dabei, aber es hilft, sich seines Sprechapparates bewusst zu werden.

Ein Tipp, den man selten bekommt: Schaut euch um, ob bei euch in der Nähe Sprachförderungs- oder gar Logopädie-Schulen sind. Hier sind Schüler/-innen, die nach einem gewissen Teil der Theorie mit echten Menschen arbeiten müssen. Die Termine sind meist durch Lehrer hospitiert oder gar auf Video aufgenommen, aber dafür sind die Termine extrem günstig oder gar kostenlos.
Ich habe sowohl Sprachförderungskurse einer Logopädie-Schule mitgemacht und war Teilnehmer eines Abschlussprüfungs-Wochenendes einer Schule nach Schlaffhorst-Andersen. Gesamtkosten: Unter 50 EUR.

Es lohnt sich 🙂

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