Drehbuch: Tarek Ehlail, Stephanie M. Blum, Moses Arndt
Schauspieler*innen: Timo Jacobs, Denis Moschitto, Mario Adorf, Fabian Busch
Kinostart D:
Originaltitel: Gegengerade
Laufzeit: 1:40 Stunden
Filmkritik zu Gegengerade – 20359 St. Pauli
Viele Köche verderben den Brei. Und hier sind wirklich erstklassige Köche am Werk. Die Besetzungsliste kann neben den bereits genannten auch noch mit Schauspielgrößen wie Moritz Bleibtreu, Wotan Wilke Möhring, Mario Adorf, Natalia Avelon, André Eisermann sowie Dschungel-Fee Katy Karrenbauer, Karate-Kid Claude-Oliver Rudolph und Porno-Queen Vivien Schmidt aufwarten. Ebenso überfrachtet wie die Besetzungsliste ist leider auch die Handlung.
Episodenhaft erhält der Zuschauer Einblicke in das Leben rund um den FC St. Pauli. So verquirlt der Film Themen wie Gentrifizierung, Autobrandstifterei, Fascho-Randale und skrupellose Immobilien-Investoren zu einem trägen Brei, der weder wirklich unterhält, noch echtes Interesse für die meist nur oberflächlich angerissenen Themen weckt.
Vor allem fehlt dem Film eine klare Linie. Arne beispielsweise hat die gesamte Saison über seine beiden Kumpel mit der Kamera verfolgt und will nun den großen Tag per Handkamera als Krönung seiner kleinen Privat-Doku filmen. Vom Ansatz her gut, leider geht so ein Erzählstrang im allgemeinen Wust ziemlich unter und wird nicht zu Ende erzählt. Ebenso der Grand Senior des deutschen Films: Mario Adorf. Er weckt zwar als kleiner Mann von der Straße, der sich mit zig Gelegenheitsjobs durch’s Leben schlägt, schnell Sympathien. Letztendlich bleibt die Historie seiner Figur aber komplett im Unklaren und man fragt sich vielmehr: „Wie schafft der Kerl die ganzen Jobs? Und eine eigene Kneipe hat er auch noch? Wie geht das denn?“. Hinzu kommt Claude-Oliver Rudolph, der als Kiez-Arzt samstags gern mal mitprügelt und somit eine spezielle Seite des Hooligantums zeigt. Recht so, aber abgesehen von einer chaotischen, uninspirierten Prügelszene dient er nur noch dazu, dass Pornostar Vivien Schmidt mal kurz ihre Brüste in die Kamera halten kann. In einem guten Film wäre eine solche Rolle komplett dem Filmschnitt zum Opfer gefallen.
Als kleines Sittengemälde funktioniert der Film so halbwegs. Hier passt das unausgegorene Storytelling sogar ganz gut zum allgemeinen Sujet. Was aber dann ganz und gar nicht ins Bild passen will, sind neben ein paar anderen Szenen vor allem die Auftritte von André Eisermann. Der darf nämlich frei heraus – wie der Pastor von der Kanzel – über das Fan-Sein und die Liebe zum eigenen Verein philosophieren (freundlich für „schwafeln“). Sinngemäße Sätze wie „Bei einem Tor entlädt sich die Anspannung zu einer alles mitreißenden Flut aus Freude, getragen von der Masse“ wollen so gar nicht zum Rest des Film passen. Vermutlich so gedacht – aber leider komplett humorfrei.
Was am Ende bleibt ist ein verwirrtes „Wie? Das war’s jetzt?“ gefolgt von einem heftigen „Perlen-vor-die-Säue“-Gefühl. Wotan Wilke Möhring – meiner Meinung nach einer der wirklich großen Schauspieler seiner Generation – hat vielleicht 15 Sekunden Screentime. Vermutlich wurden viele der Stars mit einem Satz wie „Wir machen da einen Film über die Fans vom FC St. Pauli und wollen dem Verein ein Denkmal setzen“ geködert. Wirklich zufrieden können sie mit dem Endergebnis nicht sein. Einzig Moritz Bleibtreu überzeugt in seinen wenigen Minuten als skrupelloser Immobilien-Hai und auch Mario Adorf gibt seiner Figur in der wenigen Zeit, die ihm bleibt erstaunlich viel Tiefe.
Alles in allem ein Film wie Knäckebrot: knuspert lustig, macht aber nicht satt.