Drehbuch: Asif Kapadia
Schauspieler*innen: Amy Winehouse, Mark Ronson, Tony Bennett, Pete Doherty
Kinostart D:
Kinostart US: (FSK R)
Originaltitel: Amy
Laufzeit: 2:07 Stunden
Filmkritik zu Amy
Asif Kapadia bietet mit seiner über zweistündigen Dokumentation den wohl offensten und privatesten Einblick in das Leben von Amy Winehouse. Wohl kaum ein anderes Format lässt die Musikkarriere so zur Nebensache verkommen und stellt die junge Künstlerin als Mensch in den Fokus. Hierbei lässt er ganz bewusst Bilder und Interviews wirken, statt alles in Kontext zu stellen. Somit umgeht er geschickt sowie passend eine Bewertung des Verhaltens des gesamten Umfelds von Amy Winehouse – oder ihr selbst. Um als Zuschauer sich dennoch eine Meinung bilden zu können, schadet es nicht, vor Sichtung des Films die wichtigsten Karriereschritte von Amy Winehouse bereits zu kennen sowie ein Grundverständnis der Musikbranche zu haben.
Hervorragend gelöst wurde die Einbindung der unzähligen Interviewpartner, die mit ihren Geschichten und Meinungen der Dokumentation einen ganz persönlichen Touch geben: Sie alle werden aus dem Off eingespielt, nie ist der Interviewpartner selbst zu sehen. Stattdessen werden die Statements weiterhin mit Bildern und Filmen unterlegt – ein funktionierendes Stilmittel, um nicht durch Einspieler aus dem Erzählfluss zu kommen. Um bei der Masse der Interviewpartner den Überblick zu behalten, werden ständig die jeweiligen Namen sanft ein- und ausgeblendet.
Ein Großteil der Dokumentation besteht aus persönlichen Videos, aufgenommen von Freunden, Familie, Bodyguards oder gar von ihr selbst. Das Material ist dementsprechend unruhig, manchmal unscharf, schlecht arrangiert – eben laienhaft. Doch gerade dieses Material ist so wichtig für die Dokumentation, bietet es doch einen Eindruck von dem Menschen Amy Winehouse fernab von perfektionierter Ausleuchtung und Kamera.
Asif Kapadia ist stets bemüht, das Leben von Amy so neutral wie möglich zu erzählen. Er zeichnet ein breites Meinungsbild von Amy, indem er möglichst viele Interviewpartner zur Sprache kommen lässt und Filmmaterial möglicht ohne Effekthascherei aneinander schneidet. Er arrangiert die Songs von Amy Winehouse geschickt um die jeweiligen Stimmungen der Szenen vorher. Meist blendet er noch die Textzeilen ein, was den Zuschauer befähigt, den persönlichen Tiefgang ihrer Songtexte zu erfassen – sofern er es nicht vorher schon tat.
Führt man sich die wichtigsten Meilensteine von Amy Winehouse vor Augen, so erhält man mit AMY eine hervorragende Dokumentation über das Leben der Ausnahmekünstlerin. Die weitestgehend neutrale Verfilmung ihres Lebens tut dem Format sehr gut, das umfangreiche private Bild- und Filmmaterial stellt den Menschen Amy Winehouse in den Mittelpunkt – und nicht den Star. So erhält die Dokumentation einen bisher nicht erreichten Tiefgang, der unterstreicht, wie sehr Erfolg einem Menschen schaden kann.