Drehbuch: Harald Kloser, Roland Emmerich
Schauspieler*innen: John Cusack, Amanda Peet, Chiwetel Ejiofor, Thandiwe Newton
Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US: (FSK PG-13)
Originaltitel: 2012
Laufzeit: 2:38 Stunden
Filmkritik zu 2012
Zeitsprung zurück in das Jahr 1933. „King Kong und die weiße Frau“ kommt in die Kinos dieser Welt. Die große End-Szene: der Supergorilla auf dem Dach des Empire State Buildings, umkreist von Doppeldeckern, die ihm ihre Maschinengewehr-Salven in den Pelz jagen. Wie ich darauf komme? Ganz einfach: „2012“ spielt erfolgreich mit dem gleichen Prinzip. „King Kong“ war seinerzeit so spannend, weil die angreifenden Flugzeuge so nah an das wild gewordene Tier herangeflogen sind, dass ein, zwei Piloten samt Maschinen vom Gorilla aus der Luft geschnappt und zermalmt wurden. Realistisches Kinopublikum fragt sich: „Warum machen die das? Die könnten doch auch aus sicherer Entfernung schießen?“ Ja, könnten sie – aber dann wäre diese Szene nicht halb so spannend.
Ähnliches gilt nun also auch für Emmerichs neuestes Werk. Natürlich ist von Beginn an klar, welche Menschen von den 7 Milliarden den Super-GAU überleben werden. Und natürlich schrappen sie alle Meter lang haarscharf an tödlichen Gefahren vorbei. Wenn es nach Michael Mittermeier gehen würde, könnte man bei sehr vielen Szenen mit einem „Blöd! Blöd!“ die unrealistischen Ereignisse und Logiklöcher zusammenzählen. Wer aber seinen Kopf ausschalten kann und einfach nur die Berieselung mit bestem Popcorn-Kino genießt, der wird hier unterhaltsame 2,5 Stunden erleben.
Erinnerungen an „Independence Day“ wurden bei mir ziemlich schnell wach. Hauptdarsteller sind ein vernunftorientierter Wissenschaftler und ein schlagfertiges Schlitzohr mit Loser-Charakter. Auch der US-Präsident kommt wieder einmal vor, hinzu noch eine Amanda Peet, die aussah, wie aus einem 80er-Jahre-Film geklaut. Ebenso wie bei „ID4“ sind die Charaktere sehr holzschnittartig und bleiben ohne große Tiefe. Immerhin hat Emmerich durch das fehlende Drama verhindern können, dass der Film auf die Kitsch-Schiene gerät. Auch die Storyline mit dem US-Präsidenten ist für Emmerich-Vehältnisse erfrischend unpathetisch. Zwar opfert der Präsi zwar sein Leben, kommt aber ohne hochtrabenden Stars-and-Stripes-Hintergrund aus.
Zugegeben: einige Sequenzen waren schon sehr hanebüchen. Wer die Fluchtszene aus L.A. sieht, kann einfach nur mit dem Kopf schütteln. Dass die Rettung immer „in letzter Sekunde“ und „auf den letzten Zentimeter“ klappt, könnte man bemängeln – ich für meinen Teil habe auffällig stark mitgefiebert und mich von dem ewigen „Haarscharf!“ mitreißen lassen.
Die gebotenen Effekte sind allesamt sehr sehenswert. Angefangen bei realistisch aufreißender Erde, die klaffende Abgründe freigibt, über ein in Ruinen liegendes Las Vegas bis hin zu den gigantischen Archen, die einem ein „Boah, sind die grooooß!“ entlocken kann. Erste Sahne. Im Gegensatz zur heute vorherrschenden Kameratechnik, wird hier die Kamera recht ruhig gehalten. Im Gegensatz zu „Transformers“ oder „Cloverfield“ bekommt man hier jede Sekunde genau mit, was gerade passiert – und wie knapp doch alles immer ist. Angenehm. Kleiner Kritikpunkt: die menschliche Komponente bleibt ziemlich blass. Will heißen: nur selten gibt es kurze Medienberichte, die zeigen, wie die Menschen auf der Welt mit der Katastrophe umgehen. Da hätte ich gerne ein wenig mehr von gesehen. Mehr Fake-CNN, düster dreinblickende Korrespondenten und Aufruhr-Szenen von rund um den Globus. Das hätte für mich persönlich den Film noch ein wenig plastischer gemacht.
Neben den gebotenen Effekten ein weiteres Highlight des Films: Woody Harrelson als – wie die Neue Presse so schön geschrieben hat – durchgedrehter Einsiedler in den Weiten des Yellowstone-Nationalparks, der genau so ist, wie man sich einen Menschen vorstellt, der zu lange Zeit am Busen der Natur gelutscht hat. Für ein wenig Komik war also auch noch gesorgt (Zitat: „Wenn Ihr jetzt sehen könntet, was ich gerade sehe…“). Spannung, Unterhaltung – manchmal braucht es gar nicht mehr, um einen vergnüglichen Abend zu haben.
Klar: ein Filmepos für die Nachwelt ist auch „2012“ nicht geworden. Aber im Gegensatz zu seinem letzten Film „10.000 B.C.“ hat Emmerich sich um einige hundert Prozent gesteigert. In Sachen „Auf-die-Kacke-hauing in Katastrophenfilmen“ scheint mit diesem Film das letzte Wort gesagt zu sein.