Ich glotz TV!

Letzens waren wir im Kino. „The Descendants“ erzählt die Geschichte eines Mannes, dessen Frau im Koma liegt und vielleicht nie wieder aufwacht (Kritik geht morgen online). Als ich aus dem Kino komme, denke ich: „Ja, war ganz okay und teilweise auch rührend. Aber Clooney braucht dafür nicht zwingend den Oscar zu bekommen. Auch andere Oscars sehe ich für den Film nicht unbedingt.“

Weil der Film und das triste Wetter einen eh schon in so eine melancholische Stimmung gebracht haben, gab es zuhause gleich noch einen dramatischen Fernsehfilm: „Der letzte schöne Tag“. Hier sehen wir Wotan Wilke Möhring, als Ehemann, dessen Frau sich aufgrund einer schweren Depression das Leben genommen hat. Fortan muss er sich allein um seine beiden Kinder (14 und 7 Jahre alt), die Beerdigungsformalitäten und irgendwann auch um seine eigene Trauer kümmern. Und, was soll ich sagen: Der TV-Film hat mich wesentlich mehr berührt als der Oscar-Anwärter „The Descendants“.

Ich weiß, dass ich im Nerdtalk-Kollegenkreis als der „arte- und 3sat-Gucker“ verschrien bin, weil ich der einzige im Team bin, der anscheinend auch mal einem Fernsehfilm eine Chance gibt, ohne dabei einer Empfehlung zu folgen. Aber ich muss sagen, dass ich damit ganz gut fahre. Gerade erst hat mir auch „The Firm“ wieder bewiesen, dass auch Fernsehfilme in Produktion und Drehbuch überzeugen können. Es muss nicht immer der fette Budget-Brocken mit Kino-Auswertung sein. Gerade was Dramen – und ja, teilweise auch historische Filme fernab vom Nico Hofmann-Schmonz a la „Die Fluch“ – angeht, kann sich das hierzulande ausschließlich fürs Fernsehen produzierte durchaus sehen lassen.

Auch wenn es eine undankbare Aufgabe ist, die ich mir selbst auferlegt habe, aber ich setze mich gerne für die GEZ-Gebühren ein. Wirklich! Für nicht mal 20 Euro im Monat bekomme ich ein breitgefächertes Themenangebot, das auch Randgruppen bedient. Natürlich rege auch ich mich über stundenlange Wintersport-Übertragungen auf und ebenso frage ich mich, warum sowohl ARD als auch ZDF jeweils eigene Sendestudios haben. Denn ehrlich gesagt: so was wie die Hochzeit von Kate und Willie, wo beide Sender stundenlang berichtet haben, hat für mich nichts mit Erfüllung des öffentlichen Auftrags zu tun. Das ist dann eher geplante Redundanz. Aber ich freue mich auch häufig, dass mir die öffentlich-rechtlichen Sender auch meine ausgefallenen Interessen bedienen – anders als die Privatsender.

Was man gerne mal aus den Augen verliert, wenn man im Zuge der GEZ-Debatte das Totschlag-Argument „Das guckt doch eh keiner“ bringt: klar guckt das einer! Vergleiche: „Der letzte schöne Tag“ wurde laut Einschaltquote von 5,7 Millionen Menschen gesehen. Der Oscar-Nominierte „The Descendats“ – immerhin mit dem sicher nicht ganz so günstigen George Clooney in der Hauptrolle – kratzt nach 2 Kinowochen gerade mal an der 300.000-Zuschauer-Marke.

Natürlich erzeugt ein Kinofilm zu einem gesellschaftlich relevanten Thema im Feuilleton mehr Aufsehen. Dabei haben etwa „Brokeback Mountain“ sicherlich weniger Menschen gesehen als so manchen TV-Film.

Für mich gilt: ich bin mit der Qualität vieler (bei weitem nicht aller!) TV-Film-Produktionen durchaus zufrieden. Vielleicht erreichen diese Filme mich teilweise auch mehr als große Kinoproduktionen, weil ich mich ihnen dank fehlender Synchronisation einfach näher fühle, sie für mich eingängiger sind.

Wer nur auf Veronika Ferres, Christine Neubauer und die Bergretter schielt, dem entgehen in der deutschen Fernsehlandschaft einige wirkliche Perlen. Zu nennen wären da solche Filme wie „Wut“, „Es war einer von uns“, „Homevideo“ oder herausragende deutsche TV-Serien wie etwa „KDD“ oder der teils brillante Zehnteiler „Im Angesicht des Verbrechens“. Oder auch teils herausragende Tatort-Episoden wie etwa „Nie wieder frei sein“ vom Tatort-Team München, der mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Auch Deutschland hat hervorragende Schauspieler, die viel für das Fernsehen arbeiten. Nehmen wir etwa Max Riemelt, Marie Bäumer, Devid Striesow, Maria Simon, Jürgen Vogel und Anna-Maria Mühe – was die so an TV-Produktionen drehen kann man ohne Hemmungen gucken.

Und da frage ich Euch: Wie seht Ihr das? Für rund 20 Euro im Monat teils herausragende Filme, Nachrichten Dokumentationen, Reportagen und Spartenprogramme (ich sage nur zdfneo!). Was ist das im Vergleich für einen Kinobesuch, den man heutzutage selten unter 8 Euro bekommt? Gebt auch Ihr dem deutschen Fernsehfilm eine Chance?

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