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Filmkritik zu Wer ist Hanna?

Benutzerbild von andreas
4.5/ 5 von

Der Erwartungen waren hoch: wird Joe Wright, der bisher mit Dramen wie „Abbitte“ oder “Der Solist“ von sich reden machte, auch im Thriller-Genre gut abliefern? Die Ausgangslage war grundsätzlich erst mal gut: Seth Lochheads Drehbuch zum Film hatte es bereits zweimal auf die renommierte „Black List“ geschafft. Auf ihr werden, ausgewählt von Filmproduzenten, die besten bisher unverfilmten Drehbücher geführt. Und tatsächlich: „Wer ist Hanna“ hebt sich erfreulich vom zumeist explosions- und blutüberladenen Action-Einerlei ab und bietet eine spannende Geschichte mit ungewohnter Tiefe.

Denn anstatt hier wie etwa in „Salt“ eine gut ausgebildete Frau kreuz und quer durch die Gegend zu jagen und sich mit furiosen Stunt-Szenen selbst zu überbieten, geht Wright einen anderen Weg. Ein zentraler Punkt des Films ist Hannas Erleben der modernen Welt, die sie in vielen Momenten schlichtweg überfordert. In bester Kaspar-Hauser-Manier erkundet sie, teils neugierig, teils verschüchtert, all die Dinge, die für uns so alltäglich sind. Doch eines merkt sie ziemlich schnell: sie ist in dieser Welt sehr ungewöhnlich. Klar: normalerweise sind 16jährige Mädchen keine Killer-Maschinen. Und so fällt es ihr sichtlich schwer, die Nähe eines Mädchens zuzulassen, das mit ihr befreundet sein will. Ein Thriller, verpackt als Coming-Of-Age-Geschichte, habe ich so gut umgesetzt selten gesehen.

Saoirse Ronan glänzt in der Rolle des mal unsicheren, mal gefühlskalten Mädchens, das mit neugierigen Augen eine neue Welt entdeckt. Einmal mehr kann sie unter Beweis stellen, dass die Oscar-Nominierung für ihre Rolle in „Abbitte“ keine Eintagsfliege war, sondern wir von ihr in den kommenden Jahren noch einiges erwarten können. Eric Bana hat ziemlich wenig Screentime und füllt diese zumindest ganz anständig aus, zu mehr reicht die Zeit leider nicht. Cate Blanchett gibt einen besseren bösen Gegenpart ab als im vierten „Indiana Jones“. Auch die Nebenrollen sind durchweg gut besetzt; am auffälligsten für uns Deutsche ist vermutlich Martin Wuttke, bekannt als wortkarger, aber absolut cooler Ermittler im Leipzig-Tatort (oder auch als Hitler in „Inglorious Basterds“).

Auch die filmische Umsetzung ist durchweg gelungen: ruhige Szenen wechseln sich mit stakkatohaft geschnittenen Action-Sequenzen ab, die durch die Bank weg ins rechte Bild gerückt sind. Dass der Film sich z. B. auch mal zwei Minuten Zeit nimmt, um einfach nur eine spanische Flamenco-Szene zu zeigen – und damit wesentlich zur dichten Atmosphäre des Films beizutragen – gibt weitere Sympathiepunkte. Überhaupt schafft es der Film, der quer durch Europa und Nordafrika führt, jedem Ort das gewisse Etwas zu geben, ohne zu sehr in die Klischee-Kiste zu greifen. Gefiel mir außerordentlich gut. Komplettiert wird das gute Gesamtbild durch einen sehr außergewöhnlichen Soundtrack von den Chemical Brothers. Während die rohen, dissonanten Töne im Film wirklich optimal die Szenen begleiten, taugt er aber wohl weniger zum Hören fernab des Films. Schrille Geräusche, die kaum eine Melodie aufweisen, untermalen zwar hervorragend die Gewaltszenen – als Musik im Auto oder zuhause ist das jedoch nicht zu gebrauchen.

Schlussendlich freue ich mich, dass Wright ein Film gelungen ist, der mit den Seh-Gewohnheiten des Ottonormal-Thriller-Guckers bricht, ihn jedoch nicht vergrätzt. So werden sowohl jene ihren Spaß haben, die spannende Action mögen (hervorzuheben sind sicherlich die jederzeit spannenden Verfolgungsjagden), als auch jene, die weniger auf „Bäng Bäng“, sondern vielmehr auf Inhalt stehen.

Schön, dass endlich mal wieder ein intelligenter Thriller dem ewigen Blutvergießen von „Saw“ und Konsorten Paroli bietet. Und der nächste Film, der in eine ähnliche Kerbe schlägt, steht mit „Source Code“ bereits in den Startlächern. So mag ich das!

Benutzerbild von Phil
5/ 5 von

Ein bisschen Salt, ein bisschen Arthouse, dazu Ballerei und dann noch was Nachdenkliches – so schien mir „Wer ist Hanna?“ beim ersten Mal sehen. Zwar kann man von Focus Features in der Regel gute Filme erwarten (Coraline, Brügge sehen… und sterben?, Milk), aber wie will man diesen Spagat schaffen? Ja, ich freute mich auf den Film, war aber zugleich auch ziemlich gespannt, was mich erwartete. Und was ich sah, überzeugte mich vollkommen.

Lange Kamerafahrten und die Reduktion auf Musik auf ein Minimum zeigen stark den Arthouse-Charakter des Films. Weites Ödland, überall Schnee, mitten drin ein kleines Mädchen. Das Atmen wird zum tragenden Tonelement – direkter Einstieg sag ich da mal. Doch mit der Ruhe ist es schnell aus, auf einmal entbrennt ein Kampf, mit grundsoliden Kung-Fu- und Judo-Kenntnissen kann (Saoirse Ronan) mit anderen Kampfchoreographien der großen Kampffilme durchaus mithalten.
Ein Schuss, Schnitt.

Was für ein Anfang und verdammt sprechend für den gesamten Film: Regisseur Joe Wright schafft jedes Mal die Gratwanderung. Mit dem besonderen Spiel mit der Kamera und dem Verzicht auf Musik nutzt Wright klassische Elemente des Arthouses und verbindet diese mit pulsierenden Beats in packenden Verfolgungsszenen, ganz wie ein typischer Actionfilm. Doch der Plot geht viel tiefer als man es von dem marktüblichen Action oder Thriller gewohnt ist. Elementarer Bestandteil des Films ist die Auseinandersetzung von Hanna mit „der Welt da draußen“. Seit der Kindheit abgeschieden in Skandinavien aufgewachsen, mutiert eine Fernsehsendung zu einer Bedrohung. Die panische Angst, die Hanna ergreift, wird dem Zuschauer mit jedem Bild deutlich und deutlicher, bis er wie Hanna spürt: Die Eindrücke prasseln nur so ein.
Wer dem Film etwas ankreiden will, der findet seine Passion in kleineren Patzern. Sicher gibt es Zeit- und Ortssprünge, die irgendwie nicht ganz erklärbar sind. Und ja, auch die eine oder andere Szene ist etwas „over the top“.

Aber was zählt, ist das Gesamtwerk. Und das ist erstklassig hochwertig. Selbst mit diesen kleinen Patzern habe ich keinen Verbesserungsvorschlag – der Film ist einfach von vorn bis hinten ausgereift.

Durchschnittliche Wertung: 2.5/5, basierend auf 2 Bewertungen.

im Heimkino

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