Filmszene aus 24 Wochen

24 Wochen

Regie: Anne Zohra Berrached
Drehbuch:
Schauspieler*innen: Julia Jentsch, Bjarne Mädel, Johanna Gastdorf, Emilia Pieske

Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US:
Originaltitel: 24 Wochen
Laufzeit: 1:45 Stunden
Filmposter: 24 Wochen

Filmkritik zu 24 Wochen

Benutzerbild von Phil
5/ 5 von

Moderne medizinische Entwicklungen haben immer auch Nachteile – mit steigendem Wissen über den Menschen steigt auch die Frage nach Moral und Ethik. Dieser Film stellt eine der moralisch schwierigsten Fragen: Darf man sich gegen ein Kind entscheiden, wenn man weiß, dass es behindert auf die Welt kommen wird?

Dabei schafft es der Film, ein breites Spektrum der Zweifel darzustellen, ohne dabei zu einer lieblosen Aneinanderreihung von Entscheidungen zu geraten. Stattdessen schafft er es, die ständige emotionale Achterbahnfahrt der ersten 24 Wochen der Schwangerschaft abzubilden – denn so lange kann man legal ein Kind abtreiben, weil es wissenschaftlich noch nicht lebt.
Doch wann ist ein Zellhaufen ein Lebewesen, wann kommt das Leben? Diese moralische Frage will der Film nicht beantworten – aber er will sie aufwerfen. Doch es ist nicht die einzige Frage. Wie viel Belastung bringt eigentlich ein behindertes Kind mit sich? Ist man selbst stark genug dafür? Muss man überhaupt „stark“ für ein behindertes Kind sein?
Die Eltern versuchen, eine Antwort zu finden, besuchen Behindertenstätten und gehen in Kontakt, lassen sich beraten. Doch am Ende bleibt es eine Entscheidung, die nicht rational getroffen werden kann.

Nie scheint die Entscheidung fest, das Konstrukt ist zu fragil. Morgens ist man voller Mut und Freude, sich für das Kind zu entscheiden, so zerstört nur ein Satz das dünne Selbstbewusstsein. Hat man sich gegen das Kind entschieden, so zeigt der Besuch in einer Behindertenwerkstätte seine Wirkung: Nichts scheint es wert, sich gegen das Kind zu entscheiden, alles scheint schaffbar.

Ein in der Öffentlichkeit womöglich zu wenig betrachteter Blickwinkel ist die der Mutter: Sie trägt das neue Lebewesen in sich und muss am Ende die Entscheidung allein treffen. Und tragen. Mehrmals steht sie allein da, wenn sich selbst Kinder und Mann von ihr abwenden. Sie findet keinen, der ihr vorbehaltlos zur Seite steht. Die Mutter argumentiert und diskutiert zeitweise in einer emotionalen Kälte, die auch den Zuschauer wortlos hinterlässt. Selbst die Ärzte manipulieren mit ihrer Prognose – es ist ein harter Kampf mit sich selbst und den eigenen Moralvorstellungen, vielleicht einer der härtesten Kämpfe.
Mehr als einmal bahnen sich die Emotionen ihren Weg an die Oberfläche, die Hilflosigkeit, die einem förmlich den Atem raubt. Nicht nur die eigene Ehe, auch die Familie wird auf eine harte Probe gestellt, immer kurz vorm Zerbrechen. Es sind die Momente von Ungezähmtheit und Unvernunft, der wohl einzigen Form des Ventils.

Der Film endet in einem Dilemma, inszeniert in der wohl betrüblichsten, emotionslosesten Nüchternheit, die man wählen konnte. Es ist Schmerz und Befreiung, es ist Leichtigkeit und Schwere, Belastung und Entlastung in einem.
Und am Ende ist man allein. Ganz allein mit sich und seinen Emotionen, die keinen passenden Rahmen finden.

24 Wochen im Heimkino

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