Filmszene aus Drecksau

Drecksau

Regie: Jon S. Baird, David Gilchrist, Mark Murdoch, Stina Elinderson
Drehbuch:
Schauspieler*innen: James McAvoy, Jamie Bell, Eddie Marsan, Imogen Poots

Kinostart D: (FSK 16)
Kinostart US: (FSK R)
Originaltitel: Filth
Laufzeit: 1:37 Stunden
Filmposter: Drecksau

Filmkritik zu Drecksau

Benutzerbild von Lars
4/ 5 von

Bruce Robertson (James McAvoy) ist alles, was ein Polizist nicht sein sollte. Er ist korrupt, stark drogenabhängig und nutzt seine Macht über andere Menschen für Intrigen zu seiner persönlichen Unterhaltung und natürlich für Sex. Als eine Beförderung ausgeschrieben wird, will er mit allen Mitteln verhindern, dass seine Kollegen ihm zuvorkommen. Die Klärung eines Mords an einem Studenten scheint die geeignete Möglichkeit, Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Drecksau klingt zunächst wie ein relativ konventioneller dunkler Polizei-Film. Im Prinzip, würde man ihn auf die Handlung reduzieren, ist er das auch. Wäre da nicht ein ganz eigener Stil, eine ganz eigene Art in die Düsternis der Hauptfigur abzutauchen. Denn der Film erzählt seine Handlung vor allem aus Bruce Robertson heraus. Wir mäandern zwischen seiner diffusen Wahrnehmung, seinen Traumsequenzen und dem, was wohl einer Realität noch am nächsten kommt. Einer von Drogen und Sucht zerfressenen Realität, wenn auch.

Das Gerüst für den Film bietet die Beförderung und das Bestreben, sich auf jedem Weg gegen die Mitbewerber durchzusetzen. Zwar sollte eigentlich der zu lösende Mordfall für die nötige Profilierung dienen, doch wählt Bruce vor allem die dunklen, intriganten Wege, um an sein Ziel zu kommen und verliert so schon bald das eigentliche Ziel aus den Augen, verstrickt sich in seiner eigenen verwinkelten Persönlichkeit. Ein Weg, den auch der Film stilistisch und somit der Zuschauer ebenso mitgeht. Die Verbindung von Form und Inhalt erfolgt beinahe nahtlos, viele Einstellungen spiegeln ihren Inhalt in der Bildlichkeit wieder, untermalen atmosphärisch den Geisteszustand des Protagonisten.

So unvereinbar die Gegensätzlichkeiten sind, die im Inneren von Bruce Robertson toben, so sehr mag auch der Film wie ein Mosaik aus grellen Steinen wirken. Es ist wohl einige Öffnung gegen diese Art der Inszenierung auf Seiten des Zuschauers erforderlich, um sich im Film zurechtfinden zu können. Ist man aber bereit, sich auf eine irre Fahrt durch einen zerstörten Geist einzulassen, wird Drecksau zu einem Fest.

Sicherlich gibt es dabei viele Szenen, deren Provokationsgehalt aufgesetzt, vielleicht ein wenig zu stark gewollt wirkt, die ein bisschen den Eindruck machen, als wären sie vor allem im Film, um das Reibungspotenzial zu erhöhen. Daran mag man sich stören, darüber mag man sich auslassen – wenn man es akzeptieren und jede Szene als Teil des Mosaiks, aus dem der Film besteht, begreifen kann, ist das ein vernachlässigbarer Kritikpunkt.

Dass allerdings eine tragische Familiengeschichte so viel Aufmerksamkeit bekommt, erscheint dann ein wenig inkonsequent. Es wirkt nicht ganz rund, für das Verhalten und Entgleisen des Charakters einen so klischeebehafteten Hintergrund zu wählen – natürlich passt das hervorragend in das Aufgreifen des Genres vom düsteren Cop-Drama, ist aber für diese Sichtweise nicht genug gebrochen, oder überstilisiert, nicht dem Rest des Films angepasst und auch nicht stark genug von ihm abgehoben um am anderen Ende des Spektrums  zu funktionieren. Doch letztlich wäre das Kritisieren dieser Kleinigkeiten ungerecht – in Ermangelung aller anderen Kritikmöglichkeit, soll es hier nur dennoch kurz erwähnt sein.

Drecksau ist ein Film, der rundherum mitreißt, in alle Tiefen und noch tiefere Tiefen, die sich in Bruce Robertson offenbaren. Ein wirrer, lauter Ritt durch die innere Geisterbahn einer zutiefst geschädigten Psyche. Wer sich traut, voll einzusteigen, wird dafür mit einem ästhetisch nahezu perfekt komponierten Feuerwerk belohnt, dessen Schwärze sich noch deutlich von der Dunkelheit des Nachthimmels abhebt.

Drecksau im Heimkino

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