Filmszene aus Der seltsame Fall des Benjamin Button

Der seltsame Fall des Benjamin Button

Regie: David Fincher, Sharron Reynolds-Enriquez, Bob Wagner, Allen Kupetsky, Steve Lonano, Pete Waterman, Tarsem Singh, Carl Kouri
Drehbuch:
Schauspieler*innen: Brad Pitt, Cate Blanchett, Taraji P. Henson, Julia Ormond

Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US: (FSK PG-13)
Originaltitel: The Curious Case of Benjamin Button
Laufzeit: 2:46 Stunden
Filmposter: Der seltsame Fall des Benjamin Button

Filmkritik zu Der seltsame Fall des Benjamin Button

Benutzerbild von andreas
3.5/ 5 von

Es scheint mir so, als wenn man oscarnominierte Filme per se toll finden muss, vor allem wenn sie eine anrührende Geschichte von Liebe und Vergänglichkeit erzählen. Wenn es danach ginge, dürfte sich ab diesem Jahr wohl jeder das Antlitz von wahlweise Brad Pitt oder Cate Blanchett auf den Oberarm tätowieren, ohne großes Aufsehen zu erregen. 13 Oscar-Nominierungen sprechen da schon eine sehr deutliche Sprache. Doch was passiert mit jenen, die in David Finchers Werk dann doch nicht den neuen „Überfilm“, den nächsten „Forrest Gump“, sehen? Was passiert also mit mir?

Man müsste wohl ein militanter Medien-Verweigerer sein, wenn man nicht mitbekommen hat, wovon der Film handelt. Respektive seit Mai vergangenen Jahres wurde der anrührende Trailer (der im übrigen auch mich beeindruckte!) in den Lichtspielhäusern rauf- und runtergenudelt. So handelt er nun also von Benjamin Button, der durch eine falsch zusammengebaute Bahnhofsuhr oder whatever dem Alterungsprozess ein Schnippchen schlägt. Anstatt zu altern wie es jeder herkömmliche Erdenbürger nun mal so tut, wird er nach seiner Geburt als Greis immer jünger. Natürlich erlebt der 1918 geborene Button annähernd so viel amerikanische Geschichte mit wie einst Tom Hanks als ausdauernder Laufbursche – und ein wenig Liebe ist natürlich auch mit von der Partie.

Den Vergleich mit dem sechsfachen Oscarpreisträger „Forrest Gump“ muss sich „Benjamin Button“ gefallen lassen. Zum einen kursiert im Netz ein Trailer, der viele Schlüsselszenen beider Filme gegenüberstellt und somit die inhaltliche Nähe untermauert. Zum anderen stammen beide Drehbücher aus der erfahrenen Feder von Autor Eric Roth. Doch für mich bleibt der Versuch, ein ähnlich gelagertes epochales Meisterwerk wie „Gump“ zu schreiben, eben doch nur ein Versuch. Da bringt es auch nichts, wenn die inzwischen weltbekannte gump’sche Lebensweisheit mit der vielzitierten Pralinenschachtel durch ein gebetsmühlenartig heruntergerattertes „Niemand weiß, was das Schicksal für ihn bereit hält“ ersetzt wird.

Grundsätzlich muss ich zugeben, dass einige der Oscar-Nominierungen tatsächlich sehr berechtigt sind. Die Filmmusik ist hervorragend, die visuellen Effekte, die wirklich sehr realistisch den Verjüngungs-/Alterungsprozess von Pitt/Blanchett darstellen, sind rundum einfach nur perfekt. Auch die Ausstattung, das Bühnenbild ist großartig und zeugt von einem wirklich großen Film, der auch in zwanzig Jahren noch Strahlkraft besitzt. Einzig: die Story ist so unbedarft.

Die oberste Prämisse eines Dramas muss es doch immer sein, beim Zuschauer Sympathien für die Hauptdarsteller zu schaffen, denn nur dann kann man mit den Personen lachen, weinen, zittern, bangen. Leider schafft Brad Pitt es an keiner Stelle, in mir eben jene Sympathien zu erzeugen, die sein Schicksal für mich greifbar machen. Bereits im Alter von wenigen Jahren wirkt Button verwirrend altklug und lebensweise. Wenn schon den Alterungsprozess auf den Kopf stellen, dann doch bitte komplett. Dann will ich bitte auch einen jungen Benjamin Button, der vielleicht aufgrund seines von Arthritis geplagten Körpers nicht auf Bäume klettern kann – eine blumige Fantasie wie jeder andere Achtjährige müsste aber schon drin sein. Stattdessen beginnt er schon im Kindesalter dieses „Niemand weiß, was das Schicksal usw.“ herunterzubeten. Dass er mit seinem alten Körper im Bett trotzdem die juvenile Ausdauer eines 18jährigen hat, zeigt nur, wie inkonsequent die Geschichte von Alt-Jung umgesetzt ist. Da wird die Logik mal für den schnellen Lacher ausgeblendet.

Auch Cate Blanchett konnte in ihrer Rolle nie mein Herz gewinnen, auch wenn sie eine Nominierung noch eher verdient hätte als CGI-Brad. Anfangs ist sie noch sehr sympathisch und es kommt tatsächlich ein wenig der Hauch der Magie der Liebe auf. Spätestens wenn sie sich aber ins ferne New York verabschiedet, um dort für die Oberflächlichkeiten des bourgeoisen Lebenswandels alle Natürlichkeit an den Nagel zu hängen, denke ich „Ach Benny, eigentlich hast du was viel besseres verdient.“ Immerhin: sie macht im Film eine nachvollziehbare Wandlung durch, während Button von Beginn bis Ende vor sich hin mäandert.

Um mit einer Person weinen zu können, muss ich (zumindest was Filme betrifft) vorher mit ihr gelacht haben. Leider beschränken sich die „guten Zeiten des Benjamin Button“ trotz einer Lauflänge von 166 Minuten auf einen gut einminütigen Zusammenschnitt. Wenn ich aber keine Hochs erlebt habe, wie soll ich dann in den Tiefs mitleiden? Und wenn dann auch noch Dialoge im Zeitlupentempo geboten werden, bei denen ich häufig dachte „Mensch, jetzt bring endlich deinen Satz zuende!“, nimmt mir das die Freue am Film gewaltig.

Keine Frage: „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ ist perfekt produziert, bietet tolle Bilder, erstaunlich unaufdringliche CGI-Effekte und einen Soundtrack der Spitzenklasse, was einige Nominierungen für den Academy Award tatsächlich rechtfertigt. Das heraufbeschworene epische Meisterwerk ist der Film dennoch nicht geworden.

Der seltsame Fall des Benjamin Button im Heimkino

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