Filmszene aus Hell

Hell

Regie: Tim Fehlbaum
Drehbuch:
Schauspieler*innen: Hannah Herzsprung, Lars Eidinger, Stipe Erceg, Lisa Vicari

Kinostart D:
Kinostart US: (FSK R)
Originaltitel: Hell
Laufzeit: 1:29 Stunden
Filmposter: Hell

Filmkritik zu Hell

Benutzerbild von Phil
4.5/ 5 von

Man muss den Film unter zwei Gesichtspunkten sehen, die elementar in die Punktewertung einfließen. Und da ist schon die gelungene, weil doppeldeutige und in beiden Interpretationen passende Titelwahl ein Punkt, den ich noch gar nicht berücksichtige. Als erstes muss man sich hier vor Augen halten, dass „Hell“ ein Erstlingswerk eines 28-jährigen Filmstudenten ist, der mit einer Inspiration loszog und einen Endzeitthriller geschaffen hat, der es mit den großen Vorbildern in den USA aufnehmen kann.
Womit wir auch beim zweiten Punkt sind: Dieser Film kommt aus Deutschland, hat aber in keinster Weise die Optik und Machart der typischen „Großen“ dieser Nation. Herrlich neu kommt das Konzept herüber und soviel wie im Film alles vollgestaubt ist, genau so viel festgesetzten Deutsch-Filmmacher-Staub weht dieser Film hinweg.

Es ist noch kein Wort gesprochen, da wird man schon überwältigt in den Sitz gepresst: Die Sonne wirkt nicht nur im Film, sondern die Situation springt sofort auf den Zuschauer über. Es gibt keine Vorgeschichte, es IST einfach hell, sehr hell. Und lebensgefährlich heiss. „Hell“ spielt besonders in der ersten Hälfte fast ausschließlich in und um das schützende Auto der Dreierfamilie und schafft es so, die Bedrängnis sehr gut spürbar zu machen: Vollgepackte Autos kennt jeder von uns. Die Scheiben sind überall beklebt, um möglichst wenig Sonne ins Auto zu lassen – doch das führt zu einem stark eingeschränkten Sichtfeld. Die Brisanz, zu wissen, dass man nicht alleine ist in der Welt, in der Mitgefühl dem Überlebenstrieb gewichen ist, aber eben diese Welt nicht im Überblick haben kann, steigert sich durch diesen gekonnten Kniff bis in spürbare Gänsehaut.
Doch auch das Sichtbare auf der Leinwand kann überzeugen: Die heruntergekommene Welt wurde sehr gut visualisiert, teils hält man sich selbst die Hand schützend vors Auge, um nicht geblendet zu werden. Die Außenszenen sind teils stark überbelichtet, teils unscharf: Der Zuschauer agiert quasi als fünfter Autoinsasse. Überall sieht man verödete Bäume und ständig vorbeitreibender Staub (allein der Staub schlug mit 60.000 EUR Produktionskosten zu Buche) beweist, dass die Erde durch und durch ausgetrocknet ist.
Atmosphärisch weiß der Film durch und durch zu überzeugen, für einen wahren Storyverlauf muss man sich etwas gedulden. Lange bleibt unklar, in welche Richtung sich der Film bewegen möchte, jedoch nimmt im richtigen Moment Fahrt auf.

Es liegt in der Natur der Sache, wenn man sagt „Man sieht nicht viel“, doch auch dies kann man zweierlei auslegen. Natürlich sorgt die brennende Sonne für wenig visuell Erkennbares, doch auch viele Aktionen der Protagonisten sind nicht gezeigt: Die Grausamkeit der Situation entsteht in der Fantasie des Zuschauers. Und das ist manchmal grausamer als das offensichtlich Erkennbare. Besonders in der zweiten Hälfte zieht der Film spürbar an. Da ist es erschreckend, wie real der Film herüberkommt, denn nichts ist übertrieben absurd oder blutig. Im Gegenteil: Das Gezeigte ist eher ein Mittel zum Zweck, viel mehr ist „Hell“ eine beklemmender Psychothriller. Und gerade durch diesen Kniff zieht er natürlich noch mehr den Zuschauer in seinen Bann.

Nicht nur als deutsches Erstlingswerk, sondern auch im internationalen Vergleich ein großartiger Film.

Benutzerbild von Daniela
4.5/ 5 von

Ein Endzeitthriller aus deutschen Landen. Geht das?!

JA! Und sogar noch richtig gut und gelungen!

„Hell“ besticht vor allem durch seine Optik. Ständig dieses grelle, blendende Licht, in dem alles seine satte Farbe zu verlieren scheint. Fast möchte man auch im Kinosessel die Augen zukneifen und meint die brennende Sonne auf der Haut zu spüren. Im Kontrast dazu wirken die Sequenzen, die in Gebäuden spielen, besonders düster und erdrückend. Ich liebe das Spiel mit dieser eigentlich einfachen und doch sehr wirkungsvollen Methode.

Die wenigen Spielorte sind geschickt gewählt und lassen vollständig erahnen, wie trostlos, ausgemergelt, fast nicht bewohnbar die Erde geworden ist. Ein Schreckensbild. Eine Apokalypse. Und diese Endzeitstimmung wird gänzlich ohne knall & krach –Effekte à la Hollywood gezeichnet, sondern nur durch „Hell“-igkeit. Chapeau.

Der Cast ist toll! Hannah Herzsprung, Lars Eidinger, Angela Winkler und Stipe Erceg. Schauspieler, die ihr Handwerk verstehen und jeweils ihrer Figur den beabsichtigten Charakter Ausdruck und Tiefe verleihen. Wenn ich dem Filmemacher Tim Fehlbaum mit Müh und Not einen Fehler andichten möchte, dann dass er Stipe Erceg nicht die gesamte Filmlänge hindurch spielen lässt. Erceg gibt den ausgemergelten Mitreisenden mit Herz & Verstand, einerseits unaufdringlich, andererseits so präsent und raumfüllend, dass ich ihn gerne mehr in Aktion gesehen hätte.

Ich weiß, es gibt Stimmen, die werfen „Hell“ vor, hier und da abgekupfert zu haben. Okay, auch ich habe bei einigen Sequenzen Parallelen erkannt. Aber ich behaupte: Die Ähnlichkeiten sind allenfalls rein zufällig und sind weder schlimm noch störend. Da wirkt nix künstlich abgekupfert und beifallheischend reingequirlt.

Die Spannung hat mich ganz und gar eingenommen. Mindestens ab der Hälfte des Films war ich unter Hochspannung, mit teils rasendem Puls, kaum abwarten könnend, was als nächstes passiert oder in Schnappatmung, ob einiger Überraschungen.

Die Punktevergabe fällt mir leicht: 9/10.

Durchschnittliche Wertung: 2.25/5, basierend auf 2 Bewertungen.

Hell im Heimkino

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