Filmszene aus German Angst

German Angst

Regie: Andreas Marschall, Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski
Drehbuch:
Schauspieler*innen: Lola Gave, Axel Holst, Andreas Pape, Annika Strauss

Kinostart D: (FSK 18)
Kinostart US: (FSK R)
Originaltitel: German Angst
Laufzeit: 1:52 Stunden
Filmposter: German Angst

Filmkritik zu German Angst

Benutzerbild von Phil
4/ 5 von

Der erste Film „Final Girl“, unter der Regie von Jörg Buttgereit, ist handwerklich eher einfach gehalten. Es gibt viele Standaufnahmen, einfache Perspektiven, teilweise auch unbeholfener Schnitt. Aber der Teil weiß schon an den Eiern zu packen – wortwörtlich genommen. Diese Episode wirkt erst in sich so brutal, weil aus dem Off die gesamte Zeit das Gesehene von der jungen Protagonisten in einem Vergleich zu Meerschweinchen kommentiert wird. Das jung Naive der Erzählung, zudem auch noch in Zusammenhang mit in sich als „süß“ zu bezeichnenden Meerschweinchen, steht da im krassen Gegensatz zum brutalen Gesehenen.
Die Kamera hält kräftig drauf, schneidet dann aber doch im letzten Moment immer wieder weg, vermutlich, um dem Film die Möglichkeit der 18er FSK zu lassen (die er dann auch erreichte). Ein guter Einstieg, der das deutsche, anonyme Bürgertum in der Plattenhaussiedlung gut aufnimmt und zeigt, was auch innerhalb der Sozialwohnung mit Gartenscheren alles gemacht werden kann.

Die Episode „Make A Wish“ von Michal Kosakowski setzt hier lange Zeit auf die psychische Gewalt. Ein gehörloses Paar wird von Rechtsradikalen überrascht und aufs Extremste drangsaliert. Die Gruppe erhebt sich weit über das eingeschüchterte Paar, höhnt und unterdrückt die Beiden, auch bis zur psychischen Schmerzgrenze des Zuschauers. Kurz, bevor der Zuschauer aus Ablehnung dieser Darstellung sich aus dem Sitz erheben möchte, fängt sich der Film und fährt die extreme Verspottung der tauben, eingeschüchterten Menschen zurück. Was dann folgt, ist eine logische Weitererzählung einer Situation, in der gewaltbereite Nazis wehrlose Behinderte zum Unterdrücken gefunden hat. Einen besonderen Drall bekommt die Geschichte durch einen Talisman, der die Geister von Partner und Anführer der Nazis zwischen den Körpern wandern lassen kann. So findet sich der Unterdrückte auf einmal im Körper des geschändeten Gehörlosen und umgekehrt.
Abgesehen von diesem durchaus interessanten Stilelement ist „Make A Wish“ die mit Abstand realistischste Episode von GERMAN ANGST und wirkt gerade auch deswegen als die brutalste von allen.

Der letzte Teil „Alraune“ von Andreas Marschall ist der mit Abstand ästhetischste Teil in GERMAN ANGST. Die Räume für sexuelle Gefälligkeiten gleichen einer Traumwelt, das Licht ist dezent und mystisch zugleich. Außerhalb der Räume ist alles dunkel, düster – der Zuschauer kann nachvollziehen, was den besonderen Sexclub so attraktiv erscheinen lässt. Die Darstellung von Sinnlichkeit mag nicht mit großen Produktionen mithalten können, geht aber dennoch gut auf. „Doch schaue nie, wer dich beglückt“ – so ist das Motto des Sexclubs. Wer es dennoch wagt, bereut es massiv.
Nach zwei recht brutalen Episoden erscheint die Dritte schon fast wie Entspannung auf anderen Ebenen angesichts der hohen Qualität dieser Episode. Die darstellte Gewalt, die teilweise bis ins Fantasygenre reicht, ist dabei schon fast nur schönes Beiwerk in einer Geschichte, die auch den Zuschauer in andere Sphären entführt.

GERMAN ANGST schafft es, mit drei Episoden, das gesamte Spektrum der Angst oder Gewaltdarstellung abzudecken: Ist in „Final Girl“ die physische Gewaltdarstellung sehr deutlich, bei „Make A Wish“, die psychische Gewalt über Maße anstrengend, so sind in „Alraune“ beide Aspekte eher subtil untergebracht: So, wie der Sex im Film im Kopf stattfindet, so findet auch die Gewalt des dritten Teils im Kopf des Zuschauers statt.
Ein Episodenfilm, der definitiv nicht für schwache Nerven ist und einiges dem Zuschauer abverlangt. Doch hält man die Gewaltorgie aus, so entdeckt man, dass GERMAN ANGST mehr ist und bewirkt als explizite Gewaltdarstellung.

German Angst im Heimkino

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