Filmszene aus Der Gott des Gemetzels

Der Gott des Gemetzels

Regie: Roman Polanski, Sylvette Baudrot, Caroline Veyssière, Anna Zenowicz, Ralph Remstedt
Drehbuch:
Schauspieler*innen: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly

Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US:
Originaltitel: Carnage
Laufzeit: 1:19 Stunden
Filmposter: Der Gott des Gemetzels

Filmkritik zu Der Gott des Gemetzels

Benutzerbild von Daniela
5/ 5 von

Irre beeindruckend, wie temporeich und dynamisch sich ein Gespräch über das Verhalten zweier Söhne entwickeln kann. Wie ein Wort das andere ergibt und es plötzlich nicht mehr darum geht, dass es unrecht ist, wenn pubertierende Jungen eine handgreifliche Auseinandersetzung haben. Zugleich den Erziehungsberechtigten aber der Wunsch, selber handgreiflich zu werden, auf der Stirn tätowiert steht.

Gerade zu Beginn, als sich die beiden Elternpaare noch sehr kultiviert geben, empfinde ich „meine Anwesenheit“ bei deren Konversation geradezu beklemmend und erdrückend. Das Gespräch wirkt so schrecklich aufgesetzt, aber ist wohl das, was man von zivilisierten Menschen in dieser Situation erwartet. Aber nach wenigen Minuten fällt die Contenance und ich sitze staunend mit offenem Mund dabei (=im Kinosessel) wie ein Wort ein anderes ergibt. Geschrei, Hysterie, Süffisanz, Abgeklärtheit, Provokation, Besänftigung, Feigheit, Direktheit … ALLE möglichen und unmöglich Emotionen werden ausgeladen. Brillant, wie überzeugend und intensiv die Darsteller die gesamte Palette des Gefühlsregenbogens verkörpern. Offen gestanden, bei John C. Reily war ich im Vorfeld einen Hauch skeptisch, aber er fügt sich nahtlos in das Können der Oscar-Preisträger Foster, Winslet, Waltz ein. Jodie Foster wird vom Gutmenschen zur hysterischen Faustschwingerin, die ikonengleiche Perlenkettenträgerin Winslet zum versoffenen „mir doch scheißegal“-Luder, John C. Reily hatte sowieso nie Bock auf den Mist… und Waltz, ja Waltz, ist abgeklärt, nonchalant, provozierend, landa-esque. Kurz denke ich, dass ihm die Rolle auf dem Leib geschrieben ist. Aber das wäre nicht fair und würde ihm nicht gerecht. Er kann jede Rolle spielen als wäre sie extra auf ihn zugeschnitten. Er kann das. GROSSARTIG!

Überraschenderweise verliert der Film für mich auch durch die Synchro nix. Großes Lob also auch an die Synchronsprecher. Das kann nicht einfach gewesen sein, einer hysterischen Kate Winslet oder einer kreischenden Jodie Foster seine deutsche Stimme zu leihen.

Mir liegt am Herzen zu erwähnen, dass das ein Film für Erwachsene ist!

Ich denke, Menschen mit Lebens-, Liebes-, Leidenserfahrung können die Dynamik und Dramatik sowohl des gesagten als auch unausgesprochenen Wortes besser wertschätzen.

Seit den letzten Oscar-prämierten Filmen habe ich dieses Jahr nichts besseres gesehen.

Benutzerbild von andreas
5/ 5 von

Wow! Einfach nur wow! Nun habe ich ja in meinem Leben schon viele Filme gesehen. Zugegeben: ich neige gerne zu sehr leidenschaftlichen Lobpreisungen, aber selten hat mich ein Film so in seinen Bann gezogen wie dieser hier. Dieser Film war für mich tatsächlich und im wahrsten Sinne des Wortes von der ersten bis zur letzten Szene unterhaltsam und spannend. Gerade letzteres ist bei einem Film, der – wenn auch nur halbwegs passend – gern in der Kategorie „Tragik-Komödie“ verortet wird, nicht alltäglich.

Von Beginn an liegt eine ganz besondere Spannung in der Luft. Da haben wir das eher gutmenschelnde, bodenständige Ehepaar (Jodie Foster / John C. Reilly), das stinknormalen Jobs nachgeht und darauf besteht, dass der Übeltäter aus dem Vorfall seine moralischen Lehren bekommt. Auf der anderen Seite das hochprofessionelle und offentlichtlich weitaus besser verdienende Ehepaar, bestehend aus einem erfolgreichen Anwalt (Christoph Waltz) und einer Investment-Bankerin (Kate Winslet), das dem Vorfall nicht zuviel Aufmerksamkeit beimessen will und die entstandenen Kosten aus der Portokasse bezahlt.

Die Dialoge sind wirklich meisterhaft und ergeben alles in allem ein perfektes, jederzeit nachvollziehbares „Ein-Wort-gibt-das-nächste“-Konstrukt, das nicht zuletzt durch die Untertöne lebt, die in vielen Fällen zwischen den Zeilen durchscheinen. Wie man aus dem recht simplen Vorfall so nach und nach Rückschlüsse auf die Persönlichkeiten der Elternpaare, ihre Ansichten zum Thema Gewalt, den Weltfrieden an sich und gar den Sinn und Zweck einer Ehe ziehen kann, ist phänomenal umgesetzt. Zudem Und gibt es hier tatsächlich mal einen Running Gag, der auch nach dem x-ten Mal noch richtig zündet.

Da es sich um ein verfilmtes Theaterstück handelt, das fast ausschließlich im Wohnzimmer des einen Paares spielt, benötigt man natürlich auch Darsteller, die einem Kammerspiel gewachsen sind. Alle vier Darsteller beweisen das für ihren Teil. Da hätten wir John C. Reilly, der mit seiner naiv-plumpen und doch liebenswerten Art an einen menschgewordenen Homer Simpson erinnert. Jodie Foster kommt im Lauf des Films auch richtig in Fahrt. Spätestens wenn ihr bei ihren Wutausbrüchen sogar die Adern auf der Stirn hervortreten, merkt man, dass sie eine echte Ausnahmeschauspielerin ist.

Für Kate Winslet würde meiner Meinung nach der Spruch passen, der häufig auf Schützenfesten und Betriebsfeiern zu hören ist: „Die fand ich nur besoffen richtig toll.“ Liegt sicherlich auch an ihrer Rolle als standesbewusste Geschäftsfrau, die nur schwerlich aus der Rolle fallen mag. Absolutes Highlight ist jedoch eindeutig Christoph Waltz, der Vorwürfe an sich abprallen lässt wie der Ostfriesennerz das Regenwasser. Und trotz hochkochender Emotionen auf beiden Seiten ist er es, der doch stets die Form wahrt und mit klitzekleinen Gesten doch den ganzen Kinosaal zum Lachen bringt. Hervorragend.

Wie schon erwähnt, habe ich mich nicht eine einzige Sekunde des Films gelangweilt, sondern war zu jeder Zeit immer nur gespannt wie sich die Kontrahenten gegenseitig Paroli bieten; vor allem auch, wie sich hier und da doch die Fronten verschieben. Denn auch wenn es anfangs Ehepaar gegen Ehepaar steht – im Lauf der Diskussion gibt es doch einige Szenen, in denen sich die Männer bzw. die Frauen gegen das jeweils andere Geschlecht verbünden. Und auch dadurch wird die Aussage des titelgebenden Gottes des Gemetzels bewiesen: gib den noch so zivilisierten Menschen einen Anlass zum Streit und sie verfallen wieder auf die niedersten Instinkte von Urmenschen.

Ein wenig Vorsicht ist geboten: der Film sollte schon explizit als „Komödie für Erwachsene“ angesehen werden, da es hier keinen Schenkelklopfer-Humor gibt, sondern der Film vielmehr seinen Reiz daraus gewinnt, die Persönlichkeiten und ihre Weltansichten millimetergenau zu sezieren. Es machte mir einen Heidenspaß zu sehen, wie herrlich manche Sätze missverstanden werden können – oder noch besser: wenn sie richtig verstanden werden und damit die nächste Bombe zum Platzen bringen. Eine Komödie mit Hintersinn, die zwar hier und da auch „normale Comedy“ mit verbaut („Ja, Walter?“), deren Humor aber sicherlich nicht in erster Linie auf niedere Instikte wie Schadenfreude und Slapstick-Humor anzielt.

Fazit: hier treffen hervorragende Darsteller (3 Oscar-Gewinner, 1 Oscar-Nominierter) auf eine dynamische Story, die so unterhaltsam in Szene gesetzt wurde, dass sogar der belanglos gefilmte Abspann noch für einen letzten richtig guten Lacher gut ist. Den könnte ich gleich glatt noch mal schauen.

Durchschnittliche Wertung: 2.5/5, basierend auf 2 Bewertungen.

Der Gott des Gemetzels im Heimkino

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