12 Years a Slave
Regie: Steve McQueen
Drehbuch: John Ridley
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Brad Pitt, Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Michael K. Williams
Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US: (R)
Originaltitel: 12 Years a Slave
Laufzeit: 2:14 Stunden
Filmkritik zu “12 Years a Slave”
Es handelt sich hier um einen Hollywood-Film, der sich mit einem ernsten historischen Thema auseinandersetzt. Behält man das im Kopf, kann man sich schon vor dem Betreten des Kinosaals ein ungefähres Bild machen, was einen erwarten wird. Auch wenn der Film stellenweise – vor allem aufgrund seiner Brutalität – durchaus überraschen kann.
“12 Years A Slave” kommt weitestgehend ohne einen klassischen Spannungsbogen oder eine echte Handlung aus. Relativ ausführlich wird erzählt, wie Northup Sklave wird, wie er verkauft wird und Streit mit seinem ersten Aufseher hat, weswegen er zu einer anderen Farm kommt. Bis zu diesem Punkt, eine knappe Dreiviertelstunde nach Beginn, entsteht der Eindruck einer koheränten Geschichte, die erzählt wird, danach löst es sich in eine Vielzahl kleinerer Anekdoten auf, die alle die Schwierigkeiten des Sklavendasein bebildern und so durchaus inhaltlich miteinander verknüpft sind. Trotzdem wirken sie relativ beliebig und austauschbar. Auch entsteht über den Fortgang der Handlung keinerlei Zeitgefühl. Am Ende könnten sowohl drei als auch 12 Jahre vergangen sein. Aus dem Titel kann man dann ungefähr ableiten, was wohl die richtige Antwort gewesen wäre. Die Kurzgeschichten sind für sich genommen aber gut gefilmt und vor allem durch die fantastische Filmmusik so gut verbunden, dass man nie das Interesse verliert zuzuschauen.
Chiwetel Ejiofor spielt seine erste Hauptrolle vollkommen überzeugend, Michael Fassbender ist ein herrlich fieser, aber auch verzweifelter Plantagenbesitzer und Gegenspieler. Edwin Epps ist eine zutiefst ekelhafte Person – und trotzdem gelingt es dem Schauspieler ein gewisses Maß von Verständnis für sein Handeln zu entfachen. Benedict Cumberbatch hat nur eine kleine Rolle, die er mit der richtigen Ausstrahlung füllt. Der Auftritt von Brad Pitt ist einfach ein Witz. Er hat eine Screen-Time von etwa fünf Minuten, in der er als Heilsbringer über die Farm läuft und sich gegen die Sklaverei an sich ausspricht. Er macht das (natürlich) ordentlich, aber man kann sich des Eindrucks nicht verschließen, dass die Rolle auch von einem weniger begabten Schauspieler problemlos hätte übernommen werden können und er vor allem deshalb diesen Gastauftritt hat, damit sein Name mit auf das Kinoplakat kann. Immerhin ist Pitt auch Produzent des Films und dürfte somit ein Interesse an hohen Besucherzahlen haben.
Insgesamt ein Film, den man sich gut anschauen kann. Aber bei dem man auch nichts verpasst hätte, wenn man ihn nicht gesehen hat.
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Tut mir Leid Schindler, aber ich kann Dir trotz der guten Bewertung nicht zu stimmen. Dass das Martyrium durchaus länger als 3 Jahre dauert, wird im Film durchaus klar gemacht. Wenn ich mich richtig erinnere, werden mehrmals Referenzen von den einzelnen Figuren zu den jeweiligen Zeitpunkten abgegeben und auch die Handlungen lassen durchaus einen größeren Zeitrahmen erkennen (zum Beispiel als die eine Sklavin eine für eine Zeit auf der Farm mit der bessergestellten schwarzen Frau lebt. Außerdem gibt es immer wieder szenische Hinweise wie Zwischenblenden auf die Weidenbäume (oder was auch immer diese Dinger waren. Ich habe zwar nicht mitgezählt, aber es würde mich nicht wunderen, wenn es genau 12 wären.
Brad Pitt als Heilsbringer hat mich auch erst verwundert, aber es ist nun mal genauso passiert. Ich kann zwar den Vorwurf des Stuntcastings verstehen, aber meiner Meinung nach lässt Du dich zu sehr von dem Namen ablenken. Pitt spielt die Rolle mit sehr viel Understatement und nimmt Chiwetel Ejiofor zu keiner Zeit das Scheinwerferlicht.
Der Film ist in meinen Augen absolut großartig und extrem wichtig für den Diskurs über Slave Narrative in der Öffentlichkeit, da er absolut ungeschönt die Grausamkeit und Ausbeutung der Sklaverei und den abartigen Rassismus aufzeigt, der dieser Ideologie zu Grunde liegt, im Gegensatz zu mach anderem Film (looking at you The Help). Er dürfte auch der erste “schwarze” Film über das Thema Sklaverei sein, der der breiteren Öffentlichkeit bekannt ist. Meiner Meinung nach sind MINDESTENS 9 von 10 Punkten angebracht, eher noch mehr.
Ach, vergessen: Wer kann, sollte sich den Film auf Englisch anschauen. Auf Deutsch verliert er einiges an Atmosphäre und an verbaler Brutalität. Allerdings ist der gesprochene Südstaatendialekt zum Teil schon sehr heftig.
Hallo RV,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Was den Zeitaspekt angeht hast du natürlich Recht. Wenn man es darauf anlegt, kann man sicher szenische Hinweise finden, wie viel Zeit vergangen ist. Dennoch bleibe ich dabei, dass das für die Handlung nicht wirklich von Bedeutung ist und dass die Anekdoten ziemlich austauschbar sind. Und dass ich beim Auftauchen von Brad Pitt nicht hätte sagen können, ob die zwölf Jahre jetzt schon rum sind oder noch vier fehlen.
Was Brad Pitt angeht habe ich das Gefühl von dir nicht so interpretiert zu werden, wie ich es gemeint habe. Deshalb möchte ich hier noch einmal betonen, dass ich seine schauspielerische Leistung vollkommen gut finde und ich auch nicht das Gefühl hatte, dass er dem Hauptdarsteller im Film die Show stiehlt. Trotzdem ist Brad Pitt ein Schauspieler, der so prominent ist, dass man ihn gerade bei einer so kleinen (und im Gegensatz zu vielen anderen Figuren des Films auch wenig ambivalenten)Rolle ohne viel Tiefe kaum losgelöst von seinem Image betrachten kann.
Und dass er vor allem zu Promo-Zwecken im Film ist, ist natürlich eine wilde Unterstellung. Hinter die ich mich aber mit voller Inbrunst stelle. 😀
Mir ist dieser Verlust des Zeitgefühls auch deutlich aufgefallen, ich würde aber argumentieren, dass dies ein erwünschter Effekt ist: Die Gleichförmigkeit des Lebens als Sklave geht so weit, dass Jahre ineinander übergehen und schließlich nur die Art des Saatguts und die härte des Boden andeutet, welche Jahreszeit überhaupt ist. Wenn 12 Jahre sich anfühlen wie drei, geht ein Leben als Sklave, repetitiv und zermürbend, vorbei bevor man sich auch nur Gedanken bezüglich seiner eigenen Sterblichkeit machen kann. Diese Darstellungsweise fügt sich organisch in den fast soziologischen Blick McQueens, der versucht jeden Teilaspekt dieser Existenz, vor allem aber auch der individuellen Erfahrung, zu beleuchten.
Das beschreibst du dann als Anekdotenhaft, und würde sich mit der Vergangenheit des Regisseurs als Videoinstallationskünstler sicher gut erklären lassen. Ich jedoch hab keinen dieser Momente als austauschbar empfunden, sie sind mehr als die Summe ihrer Teile. Ein Leben lässt sich eben am besten in Augenblicken erfassen, nicht immer folgt es klassischen narrativen Mustern. Vor allem in der Sklaverei, die einem nach und nach jede Fantasie und Individualität nimmt, jede Möglichkeit unserem Dasein in der Nachbetrachtung Sinn zu verleihen, fehlt irgendwann auch die Möglichkeit, die eigene Geschichte im Kopf zu ordnen. Deshalb ist für Northup das weiter geben seiner eigenen Erlebnisse in geschriebener Form auch so wichtig gewesen. Ich finde McQueen gelingt es hervorragend, diesen inhaltlichen Gedanken auch auf die Form des Films zu übertragen.
Bei Brad Pitt hingegen muss ich dir absolut Recht geben. Ich finde noch nicht einmal das Pitt ein talentierter Schauspieler ist, vor allem ist es aber seine Prominenz und seine öffentliche Wahrnehmung, die so stark die Immersion des Films stören. Plötzlich ist nicht eine Figur aus dieser Welt, sondern Brad Pitt auf der Leinwand. 12 Years a Slave ist sicher nicht frei von Fehlern, auch etwa der Hans Zimmer-Soundtrack ist einfach vollkommen fehl am Platz.
Bei deinem Fazit muss ich dir dann jedoch wider vehement wiedersprechen. Wer 12 Years a Slave nicht guckt, verpasst ein großes Werk eines gereiften Künstlern, fantastische Darsteller und den Beweis dafür, das anspruchsvolle Kunstfilme auch außerhalb einer minimalistischen Nische funktionieren können.
@ schindler
Wenn Du schreibst:” er vor allem deshalb diesen Gastauftritt hat, damit sein Name mit auf das Kinoplakat kann.”, dann heißt das für mich Stuntcasting und finde da gibt es auch keine zwei Meinungen wie man den Satz zu interpretieren hat. 😉 Mit deiner Erklärung wird die Sache schon schlüssiger. Ich kann Dein und kinomenschs Gefühl zwar nachvollziehen, mache dem Film zum Vorwurf. Ich denke, dass man bis zu einem gewissen Maße in der Lage sein muss zwischen Rolle und Schauspieler zu unterscheiden, auch wenn es manchmal schwerfällt. Ich denke nicht, dass der Film unter dem Castings Pitts leidet. Auch deiner Vermutung, dass man den Rolle mit jemand weniger talentierten besetzen könnte, kann meiner Meinung nach auch gewaltig nach hinten losgehen, in dem er eine der Schlüsselszenen ruiniert. Meiner Meinung nach tut Pitt genau das, was von ihm verlangt wird.
@kinomensch
Die Kritik an der Score kann ich nicht vollziehen. Meiner Meinung nach setzt sie genau da ein, wo sie gebraucht wird und findet dort nicht statt, wo sie unnötig ist. Auch ist es das erste Mal seit langem, dass ich bei einer Score von Hans Zimmer nicht das Gefühl habe, dass Batman gleich um die Ecke springt.
@Kinomensch: Ich finde deine Interpretation des fehlenden Zeitgefühls sehr gut. Und würde mich dem vollkommen anschließen. Ansonsten freut es mich, dass du dich in einigen Punkten meiner Kritik wiederfindest. Auch wenn wir im Fazit dann ein bisschen auseinander gehen. 😉
@RV: Agree to disagree I guess. 😀
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