Ein Mensch, der etwas zu erzählen hat, trifft auf einen erfahrenen Journalisten, der ihn in einer Art Verhör interviewt. Fragesteller und Interviewter sitzen in zwei verschiedenen Räumen und sehen sich nur über einen Bildschirm.
Den Anfang machen Jörg Thadeusz, der bekannte Journalist und Autor, und Jürgen Kuhl, der sich als Künstler, aber auch erfolgreicher Geldfälscher einen Namen machte.
Ohne Zweifel: Einen Geldfälscher und Künstler zu interviewen, ist interessant. Und Kuhl ist gewissermaßen in Redelaune, so gibt das Interview durchaus einen Einblick in die Vorbereitungen der Geldfälscherei. Doch ich glaube, dass das Alleinstellungsmerkmal des Formats zugleich sein größter Nachteil ist: Anstatt in „geselliger Umgebung“ ein Gespräch zu führen, sorgt die Kahlheit des Raumes und der auch für den Zuschauer sehr zweckmäßige technischne Aufbau für ein Gefühl eines Verhörs. Welcher Mensch fühlt sich in so einer Umgebung wohl, sodass er ins Plaudern käme?
Zugegeben: Ich fand die Idee des Aufbaus anfangs auch gut, aber in der Praxis zeigt sich, dass die Idee eher schwierig am Laufen zu halten ist.
Glücklicherweise spielt Kuhl mit der Kamera, seinem verschmitzten Lächeln kann man sich nur echt schwer entziehen. Den direkten Kamerablick scheint er perfektioniert zu haben, eigentlich kann man ihm nichts übel nehmen. Hier zeigt sich die Stärke des Formats, denn durch den auch geplanten direkten Blick in die Kamera bekommt der Zuschauer eine große Nähe zum Interviewten. Das selbe gilt übrigens auch für Thadeusz, der ebenfalls eine Kamera direkt auf sich gerichtet bekommen hat – und sich spontan hat erwischen lassen, wie er den Kopf auf seinem Arm aufstützt. 😉
Den Piloten kann man in zwei Teile teilen: Im ersten Teil versucht Thadeusz, es menscheln zu lassen, was das Format meiner Meinung nach nicht unterstützt. Die Erkenntnisse sind meist profan und nicht zielführend. Womöglich ist dies natürlich auch dem Gesprächsaufbau geschuldet: Erst einmal warm werden… Der zweite Teil hingegen ist interessant, so manche Nachfragen von Thadeusz treffen gut ins Schwarze. Gerade die abschließenden Fragen in den letzen Minuten finde ich sehr passend und gut, verbindet es doch das Privatleben Kuhls mit seiner Geldfälscherei.
Potential: Aller Kritik zum Trotz: Vorhanden, absolut vorhanden. Den Interviewten direkt eine Kamera aufs Gesicht zu richten, baut einen Sog auf, dem man sich nur schwer entziehen kann. Und ein Blick hinter die Kulissen eines bekannten Menschen ist immer sehenswert. Es fehlt dem Piloten aber jegliche Spritzigkeit, die man von ZDFneo kennt. Vielleicht hat „Der Protagonist“ eine Chance im regulären ZDF oder zumindest bei ZDFinfo.
Wünschenswert wäre es.
Dieser Artikel ist ein Teil der Serie „ZDFneo TV-Lab 2012“ auf Nerdtalk.de. Falls ihr die Pilotsendung verpasst habt, könnt ihr „Der Protagonist“ auf der Pilotseite nach-sehen.