Filmszene aus Vielleicht lieber morgen

Vielleicht lieber morgen

Regie: Stephen Chbosky, Diane H. Newman, Chip Signore, Susan Ransom-Coyle
Drehbuch:
Schauspieler*innen: Logan Lerman, Emma Watson, Ezra Miller, Mae Whitman

Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US: (FSK PG-13)
Originaltitel: The Perks of Being a Wallflower
Laufzeit: 1:43 Stunden
Filmposter: Vielleicht lieber morgen

Filmkritik zu Vielleicht lieber morgen

Benutzerbild von andreas
4/ 5 von

Volltreffer – versenkt. Genau so muss ein guter Coming-of-Age-Film aussehen. Im Gegensatz zu vielen Teenie-Komödien, in denen Außenseitern üble Streiche gespielt werden, nimmt „Vielleicht lieber morgen“ seine Charaktere sehr ernst. Anstatt auf plumpe Gags zu setzen und das Außenseitertum nur als Mittel zum Zweck zu nutzen, um möglichst dumme Mitschüler möglichst dämliche Streiche spielen zu lassen, gewährt dieser Film Einblick in das Seelenleben einiger Jugendlicher, die nicht ganz in die Konformität der typischen Highschool-Bevölkerung passen oder passen wollen. Zwar gibt es hier und da auch einige lustige Einlagen, aber im Grundtenor bleiben die ernsten Töne hängen, die eine komplexe Lebenswelt zwischen Selbstzweifeln, Hoffnung, Liebe, Erwartung und Enttäuschung erfahrbar machen.

Bei der Auswahl der Hauptdarsteller wurde ein gutes Händchen bewiesen: Logan Lerman („Percy Jackson“) erinnert in seiner Harmlosigkeit und mit dem noch durchscheinenden Lieber-Junge-Gesicht an den einst so sympathischen Fred Savage, den Kevin Arnold in „Wunderbare Jahre“. Ezra Miller, der mich erst unlängst als diabolischer Sohn in „We need to talk about Kevin“ von seinem großen Talent begeistert hat, füllt die Rolle des selbstverliebten Egozentrikers wundervoll aus und gilt für mich nun vollends als eines der ganz großen Nachwuchstalente, das in so jungen Jahren schon weit mehr Charisma auszustrahlen vermag als so manch alter Hollywood-Veteran. Und was soll man zu Emma Watson noch groß sagen außer „einfach hinreißend“? In dem Moment, in dem sie auf der Leinwand auftaucht, versteht man zu 100 Prozent, warum sich Charlie auf der Stelle in sie verlieben muss.

Wo andere Jugend-Filme auf „Action“, Party und „einen draufmachen“ setzen, setzt ihnen „Vielleicht lieber morgen“ tolle Dialoge entgegen, die ganz klar zeigen, dass hier drei Jugendliche nicht nur auf der Schwelle zum Erwachsensein stehen, sondern eigentlich schon einen ordentlichen Schritt in die Welt der Großen gemacht haben. Die Gefühle, die sie füreinander haben, sind erwachsen. Die Probleme, die sie haben, werden erwachsen erzählt und nicht mit einer Pipifax-Attitüde für nichtig erklärt. Hier geht es nicht nur um drei Teenager – hier geht es um drei Persönlichkeiten. Der bisher unbekannte Regisseur Stephen Chbosky schafft es, uns in die Gefühlswelt von drei jungen Menschen mitzunehmen.

Man könnte dem Film vorwerfen, dass an einigen Ecken noch ein wenig der Feinschliff fehlt. Zu Beginn kommt die Geschichte eher ruckhaft auf Touren, legt dabei aber doch ein ordentliches Tempo vor, um uns das Grundsetting fix zu erläutern. Da hätte man ruhig einen Gang herunterschalten können. Zum Ende hin gibt es ein dramatisches Highlight, das dann allerdings in wenigen Minuten abgehandelt wird. Hätte man weglassen können, war für die Story überhaupt nicht wichtig. Andererseits werden Dinge, die für den Verlauf der Geschichte doch sehr relevant sind, vom Off-Sprecher mit zwei Sätzen abgehandelt. Da hätte ich mir ein wenig mehr gewünscht.

Egal. In dem Film gibt es diese eine magische Szene: im Radio läuft Bowies „Heroes“, Emma Watson steht auf der Ladefläche eines Pick-Ups, lässt sich durch einen Tunnel fahren und breitet in der lauen Abendluft weit die Arme aus. Ein kurzer Moment der Unbeschwertheit, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Vergessen sind all die Momente der Demütigung, Gewalt, Selbsthass und Orientierungslosigkeit. In diesem einen Moment scheint alles möglich. We can be heroes – just for one day. Für genau diesen Moment liebe ich den Film.

Vielleicht lieber morgen im Heimkino

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