Die Krux der Digitalisierung – oder: Wird man sich in Hundert Jahren noch an uns erinnern?

Ich komme gerade aus dem Film „Prometheus“ und ein zentraler Aufhänger ist ja bereits am Anfang die Höhlenmalerei. Es soll hier nun aber nicht um den Film gehen, sondern eben um die Höhlenmalerei.
Im Film werden die Höhlenmalereien auf 35.000 Jahre geschätzt: Eine Zeichnung, die Kriege, Erdbeben, Sonnenstürme und und und überlebt hat. Und dann kommen Menschen und entdecken die Malereien.

Sieht man nun mal von Banksy ab, haben wir es nun nicht gerade so mit Höhlenmalerei. Eigentlich haben wir es sowieso nicht mit wirklich dauerhafter Aufbewahrung von Informationen und Events, oder? Wo ist denn unsere dauerhafte „Aufbewahrungslösung“?
Ich habe vor Kurzem einen Artikel über das Bundesarchiv gesehen, da landet ja durchaus eine Menge drin. Aber hier wird bereits heute ein immenser Aufwand betrieben, die Daten, die es dort gibt, überhaupt zukunftsfähig zu machen. Zuerst landeten Bücher, Zeitungen, Dokumente auf Mikrofilm. Heute fotografiert man den Mikrofilm massenhaft ab, um die Daten noch anders zu speichern. Und kaum gibt es die Daten, werden diese schon mehrfach auf Bänder geschrieben, die selbst unter Optimalbedingungen „nur“ 30 Jahre Haltbarkeit haben. Sicher, all diese Modernisierung und Optimierung hat auch Vorteile: Bessere Organisation, schnellere Auffindbarkeit und der Platzvorteil, dass man nicht mehr ganze Bibliotheken in Regalen verstauben lassen muss.
Aber allein zum Erhalt der existenten Daten wird doch bald mehr Aufwand betrieben werden müssen als für die Archivierung neuer Informationen. Da hat ein Buch dann doch Vorteile.

Ich komme ja auch aus der IT, ich habe erfolgreiche Dateiformate kommen sehen (zum Beispiel mp3), aber genau so viele „erfolgreiche“ Dateiformate sich nie durchsetzen sehen (beispielsweise „JPG 2000“, kennt das noch wer?). Wer garantiert uns denn, dass die Dateiformate von heute morgen immer noch lesbar und 1:1 verwertbar sind? Und welchen steigenden Aufwand müssen wir betreiben, um die nicht weniger werdenden Datenberge zu konvertieren, um sie wieder für wenige Jahrzehnte benutzbar zu machen? Bedenkt man, dass die Formate, die wir heute nutzen, in 20 Jahren nur noch müde belächelt werden, weil sie so schlechte Qualität haben, dann können wir davon ausgehen, dass in 100 Jahren die Daten von heute nur noch rudimentär genutzt werden können.
Ich weiß beispielsweise noch meine erste Digitalkamera, vor ca. 10 Jahren gekauft: Sie war mit 2 Megapixeln schon ein gutes Modell (ich zahlte 240 EUR!) – die Bilder aus dieser Kamera sind nichts gegen ein Foto aus meinem viel kleineren iPhone. Aber der Moment, den die Digicam festhielt, der ist auf -aus heutiger Sicht- schlecht belichteten, nur 2 Megapixel großem Bild festgehalten. Unwiederbringlich.

Die ganzen Medien, die niemals physisch existierten, leben ein Leben auf extrem dünnem Eis.
Die ganzen Bilder, die wir schießen: Früher auf Fotopapier festgehalten, sodass unsere Urenkel nach unserem Tod diese im Schuhkarton auf dem Dachboden finden. Und heute? Nur die wenigsten werden ihre Bilder so aufbewahren und pflegen, dass sie Festplattencrashes überleben. Die Dokumente, die wir schreiben: Meist nur noch Word-Dokumente, deren Schicksal ähnlich denen der Fotos ist. Und Liebesbriefe mutieren zu Mails, die in Tausenden von weiteren Mails verschütt gehen – sofern sie überhaupt jemand anders zu Gesicht bekommt, weil das Passwort zum Postfach unbekannt ist.
Der Normalanwender denkt ja nicht einmal an morgen, wenn er nicht einmal regelmäßig Datensicherungen macht – wie soll er sich dann Gedanken machen, was von seinen Werken dauerhaft bleibt?

Glücklich schätzen kann sich der, der sein Werk in einer staatlichen Unterkunft wie dem Bundesarchiv unterbringen kann: Mit dem Segen des Staats kann man sich recht sicher sein, dass einem die Daten nicht verloren gehen – auch wenn die Frage der Nachhaltigkeit bleibt.
Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Generation als weißer Fleck in der Geschichte zu sehen sein wird: Bald wird man nicht wissen, wer wir waren, was wir taten, wie wir uns fühlten.

Einfach, weil es uns nie gab.

Teaserbild: Hans Georg Staudt / pixelio.de

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